Bluterde
gefallen hat.«
Sie hatte keine Lust auf Konversation mit dem Fremden und ihr Tonfall war eine Spur kühler als beabsichtigt. Er streckte ihr seine kräftige Hand entgegen.
»Ian McAllister.«
Sein Deutsch war beinahe akzentfrei, aber Lea erkannte die kleinen Unterschiede in der Betonung sofort. Er sprach wie ihr Vater.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. McAllister. Darf ich fragen, was Sie in meinen Vortrag geführt hat?«
»Nennen Sie mich Ian. Um es kurz zu machen: Ihr Gorilla-Projekt im Kahuzi-Biega-Nationalpark.«
Lea war irritiert. Zum zweiten Mal an diesem Abend fragte sie sich, was dieser Mann von ihr wollte. Als ob er ihre Gedanken lesen konnte, fuhr er fort:
»Ich arbeite für Interpol. Genauer gesagt für die Environmental Crime Unit.«
Er legte eine Visitenkarte auf ihre Unterlagen.
»Ich erkläre Ihnen gerne mehr. Haben Sie Zeit für einen Drink?«
Als sie das Museum verließen, stellte Lea fest, dass McAllister unwesentlich größer war als sie selbst, und beglückwünschte sich zu ihrer Entscheidung vom Morgen, flache Schuhe zu tragen. Sie steuerten eine Weinbar in der Chausseestraße an. Lea wählte einen Tisch in der hinteren Ecke des Lokals, etwas abseits von den anderen Gästen. Sie bestellte ein Glas Sauvignon Blanc und wartete darauf, dass McAllister den Anfang machte.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie vorher überfallen habe. Aber ich bin nur noch bis morgen in Berlin und wollte Sie unbedingt treffen.«
Er lehnte sich über den Stehtisch etwas nach vorne. Lea beobachtete die Bewegung ihres Gegenübers amüsiert. Was sollte das werden? Ein konspiratives Treffen?
»Ich hatte Termine beim LKA hier in Berlin. Bei dieser Gelegenheit habe ich von Ihnen und Ihrer Organisation gehört.«
War es der Wein oder die Müdigkeit? Lea hatte das Gefühl, dass der Abend immer surrealer wurde.
»Was haben wir mit dem Landeskriminalamt zu tun?«
McAllister lächelte schmal.
»Überhaupt nichts. Aber ich leite bei Interpol eine internationale Arbeitsgruppe, die sich mit dem illegalen Schmuggel von Rohstoffen aus dem Kongo beschäftigt. Mein deutscher Kollege erwähnte Ihr Gorilla-Projekt im Kahuzi-Biega-Nationalpark. Das hat mich neugierig gemacht.«
»Glauben Sie etwa, wir haben da unsere Finger im Spiel?« Jetzt war es an ihrem Gegenüber, laut aufzulachen.
»Nein, natürlich nicht. Ich sammle Informationen. Deshalb möchte ich Sie bitten, mir von Ihrem Projekt zu erzählen. Schließlich engagieren Sie sich in einem Gebiet, das reich an Bodenschätzen ist. Es könnte doch sein, dass Ihre Kollegen vor Ort das ein oder andere beobachten.«
Leas Hände zitterten und sie stellte fest, dass ihr das Zuhören schwerfiel. Ihr Blutzuckerspiegel hatte gerade den absoluten Tiefpunkt erreicht. Ohne die Augen von ihrem Gesprächspartner zu nehmen, winkte sie Max, dem Kellner.
»Sorry, Ian, ich habe heute kaum etwas gegessen. Wie sieht es mit Ihnen aus?«
McAllister nahm eine der abgegriffenen Speisekarten, die Max auf den Tisch gelegt hatte.
»Gute Idee, ich könnte auch einen Bissen vertragen.«
Er studierte die Karte aufmerksam und Lea hatte Zeit, ihn genauer zu betrachten. Wieder fielen ihr seine Wolfsaugen in dem sonst unauffälligen, aber nicht unangenehmen Gesicht auf. Seine Haut war hell, sein Haar braun und drahtig, fast wie Fell. Sein Körper wirkte auf sportliche Art kompakt. Der Anzug saß gut.
»Können Sie mir etwas empfehlen?«
Obwohl sie die Karte so gut wie auswendig kannte, ließ Lea ihren Blick darüber schweifen, um sich wieder zu sammeln.
»Wie wäre es mit dem warmen Ziegenkäse an Blattsalaten? Schmeckt gut und passt zu Ihrem Rotwein.«
Max klemmte die Speisekarten unter den Arm, nahm ihre Bestellung auf und verschwand.
»Um auf Ihre Frage zurückzukommen. Was genau möchten Sie über unser Projekt wissen?«
McAllister griff nach seinem Glas und ließ den dunkelroten Wein darin kreisen.
»Wir haben Informationen, dass es in Ihrem Projektgebiet eine illegale Coltan-Mine gibt, und Grund zur Annahme, dass eine Rebellengruppe den Erzabbau dort kontrolliert. Was mich interessiert, ist, ob Ihre Leute davon wissen oder ob es vielleicht sogar schon Begegnungen mit den Rebellen gegeben hat.«
»Interpol interessiert sich also auch für die Bodenschätze im Kongo?«
Lea schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf. Es war spät geworden und sie würde wieder einmal nicht genug Schlaf bekommen. Sie ließ den Schlüssel in die Silberschale auf dem Sideboard fallen. Eigentlich war
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