Bluterde
ab.
»Ich habe Femi schon von unserer Begegnung mit dem Kommandanten erzählt. Er weiß Bescheid.«
Die Schultern der Männer waren gebeugter, als die Müdigkeit forderte, und ihre Augen tasteten unruhig die Umgebung ab.
»Er hat gesagt, wir sollen uns von hier verpissen.«
Omaris Handkante bewegte sich wie ein Messer blitzschnell über seine Kehle.
»Dieser Crocodile will natürlich nicht, dass wir ihm bei seinen illegalen Geschäften in die Quere kommen. Außerdem erschwert ihr mit euren Patrouillen die Fleischbeschaffung für das Camp.«
Femi stocherte mit einem Stock im Boden.
»Aber es ist wichtig, dass wir hier sind. Egal, ob uns alle für verrückt erklären. Diese Bastarde killen jedes Tier, das ihnen zwischen die Finger kommt, und das mitten im Nationalpark!«
Er brach den Stock in kleine Teile und schleuderte ihn ins Gebüsch. Als Antwort kam ein leises Rascheln zurück.
Der Cursor am Bildschirm blinkte nervtötend. Leas Finger lagen auf den Tasten, bereit, jeden Anflug von Kreativität sofort in Buchstaben umzusetzen. Doch ihre rechte Gehirnhälfte verweigerte den Dienst. Lea betrachtete die Scheibe ihres Bürofensters, an der Regentropfen im Sonnenlicht blinkten. Typisch Aprilwetter, dachte sie.
Normalerweise flogen ihr die Sätze für »Gorilla Talk« nur so zu, aber heute gab es anscheinend ein großräumiges Landeverbot für Ideen. Was McAllister tatsächlich über die Erzminen im Kongo wusste? Bestimmt mehr, als er in dem Gespräch vor zwei Wochen zugegeben hatte. Wie sein Alltag bei Interpol aussehen mochte? Lea konnte sich einfach nicht konzentrieren. Abrupt schob sie ihren Bürostuhl nach hinten und stand auf. Sie lief ein paar Minuten in ihrem Büro auf und ab, streckte sich und atmete tief durch. Warum nicht aus der Not eine Tugend machen? Noch im Stehen tippte sie ein paar Notizen in ihren Computer. Wenn sie ohnedies darüber grübelte, konnte sie McAllisters Thema auch gleich zu ihrem machen. Das war die Idee! Das würde ihr Gelegenheit geben, ihren Sponsor Movia öffentlich zu loben. Zufrieden mit ihrem Gedankenblitz, zog sie den Stuhl wieder zu sich und begann zu schreiben.
Gorilla Talk 16
»
Coltanabbau gefährdet Grauergorillas«
… Fast jedes Mal, wenn ich zu meinem Handy greife, packt mich das schlechte Gewissen. Zwar weiß ich, dass in meinem Modell von Movia garantiert kein Kondensator eingebaut ist, der Coltan bzw. Tantal (Bestandteil von Coltan)aus dem Kongo enthält. Trotzdem. Wie viele Handys mag es wohl geben, die ohne das oft illegal abgebaute Metall aus dem krisengebeutelten Staat keinen Piep von sich geben würden? Und wie sieht es eigentlich mit meinem Laptop aus? Ist das frei von »Blut-Coltan«, mit dem die Rebellen ihre Waffen finanzieren? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht genau, denn die Hersteller sind äußerst schweigsam, wenn man sie danach fragt. Was uns natürlich nicht davon abhält, sie immer wieder mit lästigem Nachfragen zu nerven …
Wie Ihr wisst, liegen mitten in unserem neuen Gorilla-Projektgebiet im Kahuzi-Biega-Nationalpark einige der illegalen Coltan-Minen, die von Rebellen kontrolliert werden. (Ehemalige Hutu-Kämpfer, die nach dem Völkermord 1994 aus Ruanda geflohen waren und den Ost-Kongo seit vielen Jahren terrorisieren. Siehe Gorilla Talk 2). Unser »Wildlife Protection Society«-Team vor Ort ist bei seiner Arbeit ständig großen Gefahren ausgesetzt. Erst letzte Woche gab es wieder Schwierigkeiten mit der Truppe um Jean Mudaku – von allen nur »The Crocodile« genannt. (Ziemlich passend, wie ich finde!)
Die Rebellen bedrohen nicht nur die Menschen im Kongo, auch die Natur leidet dramatisch unter der Coltan-Gewinnung: Bäume werden für den Bau der illegalen Schürfer-Camps abgeholzt, riesige Flächen gerodet, um den Boden für die Erzgewinnung freizulegen, und Feuerholz zum Kochen und Heizen gewonnen – ohne Rücksicht auf Verluste! So wird Stück für Stück der Lebensraum der Grauergorillas und vieler anderer Arten zerstört. Was aber noch viel schlimmer ist: Die Rebellen und die Schürfer müssen essen und sie nehmen, was der Dschungel hergibt: Buschfleisch. Ich muss Euch nicht extra sagen, dass in den Kochtöpfen nicht nur Waldschweine landen, oder? …
Lea lehnte sich zurück, fischte ein Reinigungstuch aus ihrer Schublade und wischte sich damit sorgfältig die Finger ab. Ihre Augen flogen über den Text, sie war noch nicht zufrieden mit ihrem Blog. Sie plante, Movia mehr als zwei Zeilen zu widmen – sie wusste,
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