Blutgeld
Blattes. Aber in der arabischen Welt kann man mit Geld alles bewirken, und die Irakische Freiheitsstiftung schien auf einmal sehr viel zu haben. Auf Wunsch des anonymen Spenders wurden an Business Schools in Großbritannien und den Vereinigten Staaten fünf Stipendien für irakische Frauen eingerichtet. Der Spender bestimmte, dass sie «Randa-Aziz-Stipendien» heißen sollten, zum Gedenken an eine Irakerin, die bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Jawad hielt Reden und unternahm Vortragsreisen, und es wurden so viele Kassetten mit seinen Äußerungen in den Irak geschmuggelt, dass seine Stimme dem einfachen Mann auf der Straße vertrauter wurde als die der neuen Führung. Im Irak wurden die ersten Arbeitskreise organisiert und dann Dichterlesungen. Anfangs hatten die Leute Angst, sie zu besuchen, aber schließlich kamen doch einige und dann immer mehr. Es war keine Revolution, aber es war ein Anfang.
An einem Frühlingsmorgen, auf den Tag genau ein Jahr nachdem Lina Alwan verschwunden war, ging in einer Kleinstadt im Norden Kaliforniens eine junge Frau zum Postamt und schickte einen Brief ab. Sie war leger gekleidet, in weiten Jeans und einem großen Pulli, so wie fast jeder andere in der kleinen Stadt am Rand des Weinanbaugebiets. Aber sie war anders, und es lag nicht bloß an der Spur eines Akzentes in ihrer Stimme. Da war eine Zurückhaltung in ihrer Art, mit anderen Menschen zu reden, selbst mit ihren Freunden. Und in ihren Augen lag dieser ferne Blick, der wie ein Schleier von Traurigkeit wirkte, aber tiefer zu gehen schien, denn nach außen hin war sie immer fröhlich. Einer ihrer kalifornischen Freunde war davon überzeugt, dass sie in einem anderen Leben eine Königin in irgendeinem Reich des Orients gewesen sein musste. Das große Rad des Kharma hatte sie in diesen kleinen Ort mit einer Tankstelle zwischen den Redwoods verschlagen. Aber die junge Frau hatte nur gelacht.
That’s
California!
Sie war schön, mit ihrem königlich-orientalischen Aussehen, aber wenn Männer mit ihr ausgehen wollten, entschuldigte sie sich und sagte, dass sie jemand anderem versprochen sei. Ihre einzige Verbindung mit der Welt außerhalb Nordkaliforniens bestand in dem regelmäßigen E-Mail-Kontakt mit einer Freundin, die in einem Londoner Vorort lebte. Sie verbrachte immer mehr Stunden damit, ein eigenartiges Computerspiel zu spielen, das diese Freundin ihr geschickt hatte, bei dem die Spielerin – es musste eine Frau sein – ihren Libido- und Ehrgeizpegel ermitteln konnte, um die richtige Lebensstrategie für sich auszuwählen. Sie zeigte es schließlich einer ihrer kalifornischen Freundinnen, die es als sexistisch und blöde abtat und als generellen Angriff auf das Frausein.
Der Umschlag landete in Sam Hoffmans Briefkasten. Darin fand er ein Flugticket erster Klasse nach San Francisco und eine Busfahrkarte zu einem kleinen Ort nördlich der Stadt. Der Abflugtermin: eine Woche später. Es lag auch noch eine computergeschriebene Mitteilung bei:
«Ich will dich», stand da. Sie war unterschrieben mit «Der Wawi».
Sam starrte lange Zeit auf den Brief, als könne er ein Gesicht auf dem weißen Papier sehen. Dann steckte er Flugticket, Fahrkarte und Brief wieder in den Umschlag zurück und legte ihn in seine Schreibtischschublade.
Nachwort des Autors
Dieses Buch bildet den Abschluss eines dreibändigen Romanzyklus über Amerika und den Nahen Osten. Er behandelt die letzten fünfundzwanzig Jahre. Wie schon die anderen beiden Romane ist er frei erfunden. Weder Charaktere noch Institutionen in diesem Buch existieren tatsächlich, und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder existierenden Firmen ist rein zufällig.
Um die Geschichte des modernen Irak zu skizzieren, habe ich ausführlich auf das Werk des irakischen Schriftstellers Kanan Makiya zurückgegriffen. Die Beschreibung der Verhältnisse in dem irakischen Gefängnis stützt sich größtenteils auf sein jüngstes Buch
Cruelty and Silence
, und der Titel meines Romans wurde von seinem früheren Buch
Republic of Fear
inspiriert, das er unter dem Pseudonym Samir Al-Khalil verfasste.
Besonderen Dank schulde ich zwei arabischen Journalistinnen: Nora Boustany, der großartigen Reporterin der
Washington Post
, die geholfen hatte, mich Anfang der achtziger Jahre durch das Blutbad im Libanon zu lotsen; und Yasmine Bahrani von der Auslandsredaktion der
Post
, deren Kenntnisse und Wissen über den Irak mir unermesslich geholfen haben. Für
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