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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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Verantwortung. Du bist nun mal die Mutter.«
    »Das brauchst du mir nicht zu erzählen«, knurrte ich. Peter van Benschop beobachtete mich amüsiert durchs Fenster. Er hob die Hände, als wollte er sagen: Wo bleiben Sie denn? Ich drehte mich um und kehrte ihm den Rücken zu. Gleichzeitig hörte ich, wie mir meine Mutter »Na hör mal!« ins Ohr zischte.
    »Tut mir leid.« Ich hasse es, mich bei meiner Mutter zu entschuldigen. Leider kommt das ziemlich oft vor. »Holst du Aron dann gleich nachher bei mir ab? So schnell wie möglich? Bitte!«
    »Ich bemühe mich«, sagte sie freundlich.
    Anstatt laut zu schreien und einen Pflasterstein durch die Fensterfront des Dickie’s zu werfen, um van Benschop aus seiner Überheblichkeit zu reißen, holte ich tief Luft. Ich betrat das Dickie’s hoch erhobenen Hauptes und ging zurück an unseren Tisch, wo bereits das Essen wartete.
    »Ich habe schon angefangen«, sagte van Benschop. »Es dauerte einfach zu lange.« An seiner Oberlippe klebte ein Stück Avocado.
    »Entschuldigen Sie bitte, aber leider muss ich unsere Verabredung jetzt beenden. Ich muss weg, ein Notfall.« Ich wusste ganz genau, wie unverschämt es ist, einen Mandanten beim Lunch sitzen zu lassen. Lode würde sehr ungehalten sein.
    »Wahrscheinlich Ihr Kind.«
    »Ich rufe Sie noch heute Nachmittag wegen eines neuen Termins an. Wie gesagt, es tut mir sehr leid.«
    »Eine alleinerziehende Mutter. Das sieht man sofort. Ich
kenne mich aus mit Frauen. Dass Sie gern schwarze Unterwäsche tragen, sehe ich auch. Wahrscheinlich versuchen Sie jeden Abend vor dem Schlafengehen noch ein bisschen zu lesen, schlafen aber über dem Buch ein.«
    Ich unterdrückte ein verärgertes Seufzen. »Ich zahle noch schnell, dann bin ich weg.«
    Er packte mich am Handgelenk. »Bei mir hat noch keine Frau zahlen müssen. Das kommt auch jetzt nicht infrage.«
    »Kanzleipolitik.« Ich riss mich los und zückte meine Kreditkarte. »Ich rufe Sie noch heute Nachmittag an. Entschuldigen Sie vielmals.«

2
    Zwischen dem Transport eines Strafgefangenen und dem eines Schweins gibt es so gut wie keinen Unterschied. Beide müssen wohlbehalten ans Ziel kommen, mehr nicht.
    Meine Hände steckten in Handschellen. Ich fühlte mich unwohl und unbeholfen. Ich musste mich konzentrieren, mein Gleichgewicht nicht zu verlieren, als ich in den Transporter stieg. Mein Aufseher, ein Typ mit Quadratschädel, gab mir einen Schubs. Nicht wirklich bösartig, aber grob, aus Gleichgültigkeit.
    »Beeilung.« Das war das einzige, direkt an mich gerichtete Wort. Ich geriet ins Schwanken, fand mein Gleichgewicht wieder und setzte mich auf die Kunstlederbank.
    Demonstratives Gerassel mit dem Schlüsselbund. Das Geräusch von Metall gegen Metall: Die Käfigtür war zu, sie transportierten mich in einem Käfig.
    Ich hatte acht Jahre hinter Gittern gesessen und mich an den monotonen Tagesablauf gewöhnt. Aber an die Gitter würde ich mich nie gewöhnen.
    Die Scheiben des Transporters waren abgedunkelt. Zum ersten Mal sah ich die Außenwelt wieder, aber nur dunkelgrau verschwommen. Trotzdem freute ich mich auf diese Fahrt. Darauf, Autos vorbeifahren zu sehen, Bäume und Jugendliche auf ihrem Fahrrad bei Gegenwind. Ich hoffte auf einen Zug, der sich direkt neben der Autobahn ein Wettrennen mit uns liefern würde. Auf Autobahnbrücken mit Jungs,
die den vorbeirasenden Fahrzeugen etwas nachriefen. Dinge, die man nicht im Fernsehen sieht, weil sie viel zu normal sind, die mir aber so sehr fehlten, dass ich fast krank war vor Sehnsucht nach der Außenwelt.
    Der Transporter setzte sich in Bewegung. Ich wurde vom Strafvollzug Amersfoort in die Hopperklinik nach Haarlem gebracht.
     
    Ich wusste nicht, ob ich mich über meine Verlegung in die Psychiatrie freuen sollte. Zunächst einmal hatte ich viel zu viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken. So wie ich für alles viel zu viel Zeit hatte. Es gab Tage, an denen ich optimistisch war. Weniger Drill. Eine Zelle für mich allein. Ein abwechslungsreicherer Tagesablauf. Ein Schritt mehr in Richtung Freiheit.
    Es gab aber auch Tage, an denen ich so wütend und frustriert war, dass ich gar keine Vorteile mehr sehen konnte. Dann wollte ich nur noch nach Hause. Zu meinen Fischen. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um meine Fische. Nachts sah ich sie an der Wasseroberfläche treiben. Ein verwesender Haufen aus Zebrasoma , Diodon holocanthus und Amphiprion . Dann schrie ich so lange, bis der ganze Zellenkomplex wach war.
    »Das ist wieder dieser

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