iBurn-out - Zeit fuers Wesentliche
Vorwort
W ir, Ingo und Birte, liebten unser gemeinsames Leben im nördlichen Hamburg. Wir mochten den Herzschlag dieser Großstadt, in der die Möglichkeiten grenzenlos erschienen und die Angebotsvielfalt verschwenderisch wirkte.
Trotzdem zählten wir nicht zu den Menschen, die beim Griff nach funkelnden Sternen die Bodenhaftung verloren hatten. Gefühlsmäßig glichen wir eher der Maischolle als der Auster und einem Schümlikaffee anstelle eines Latte Macchiato. Wir genossen es, abends spontan mit Freunden zu kochen, anstatt alleine vor dem Fernseher Kochshows mit Mälzer & Co. zu sehen. In unseren Urlauben hingen wir nicht bequem in schicken Orten ab, sondern mochten vom Wind zerzauste Haare und müde gelaufene Füße.
Außenstehende mit materiellem Scannerblick schafften es dennoch, uns in die Schublade »Die haben es zu etwas gebracht« einzusortieren. Besonders Ingos beruflicher Weg war steil verlaufen. Er begann nach dem Studium als Produktmanager, arbeitete als Marketingleiter bis er Vorstand für den europäischen Vertrieb eines mittelständischen Unternehmens wurde. Dabei fiel es ihm über die Jahre leicht, immer noch einen Gang hochzuschalten und das Lebens- und Arbeitstempo zu beschleunigen.
Doch irgendwann passierte es: Ingo fuhr auf der beruflichen Überholspur dem Ziel entgegen und raste als junger Vierzigjähriger ins Burn-out. Ausgebrannt! In kürzester Zeit von der linken Fahrspur ohne Tempolimit über den Standstreifen ins Kiesbett. Sanftes Abbremsen aussichtslos. Plötzlich ging nichts mehr.
Monatelange Krankschreibungen folgten. Sein Burn-out hatte mit Panikattacken, Drehschwindel, Herz- und Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit und Erschöpfung begonnen und gipfelte in einem physischen und psychischen Zusammenbruch. Es brauchte Zeit, Geduld und Ausdauer, bis sich erste Anzeichen von Besserung zeigten. Unterstützt wurde er von Ärzten und Psychologen mit handfesten Therapien und Behandlungen. Mitfühlende Menschen und das soziale Umfeld gaben ihm emotionalen Halt. Sie überwogen in der Masse der ignoranten Kopfschüttler, die mit Sätzen wie »Stell dich mal nicht so an« die Maßstäbe unserer Gesellschaft und den unterschätzten Stellenwert der Krankheit unverblümt enthüllten. In ihren Köpfen war Burn-out noch immer ein eingebildetes und überspitztes Wehwehchen bestimmter Personen- und Berufsgruppen, die sich scheinbar grundlos anstellten.
Wir nahmen Ingos Burn-out als das an, was es war: eine ernste Warnung, ein kräftiger Schuss vor den Bug, aber eben auch eine neue Chance. Durch die Krankheit mussten wir innehalten und unsere Lebensumstände überdenken. Was wir brauchten, wussten wir schnell: Abstand! Abstand zum Job, zum Alltag, aber vor allem zu uns selbst. Zu dicht standen wir mit unseren Nasenspitzen vor der Borke und erkannten dabei den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Und wir wollten Zeit haben, für uns und alle die Dinge, die das Leben ausmachten.
Die anfängliche Idee einer Reise zu zweit entwickelte sich schnell zum ernst gemeinten Plan. Wir konnten uns durch die eigenen Ersparnisse den zeitlichen Ausstieg aus der Tretmühle ermöglichen. Wir kauften uns mit unserem Geld vor allem Zeit, über die wir selbst bestimmen konnten.
Dabei zählten wir uns nicht zu den klassischen Aussteigern, die ihr Glück weit ab von der Heimat finden wollen; und auch nicht zu denen, die ihr Heil immer in dem suchen, was sie gerade nicht besitzen. Weder Frustration noch Verbitterung spielten bei unserer Entscheidung zur Reise eine Rolle – ganz im Gegenteil: Das Leben hatte uns nicht enttäuscht. Ingo war durch sein Burn-out kräftig gestolpert, aber auch durch Stolpern kommt man voran.
Während wir die Tour planten, fing unerwartet die wirkungsvollste Therapie an: unsere intensive und gesunde Phase des »Häutens«. Deren Beginn war das Verscherbeln von unnötigen Dingen auf Flohmärkten und das Wegwerfen von Krimskrams. Das Ende war das Entsorgen von immateriellem Ballast. Wir machten uns Luft, indem wir bewusst losließen. Nichts wurde auf ein mögliches Morgen oder in irgendeine dunkle Ecke verschoben. Wir wollten uns wieder auf das für uns Wesentliche konzentrierten. Mit diesem neuen Lebensgefühl brachen wir zu unserer Reise auf und machten damit » frei gelassen « weiter.
Auf den sechsundsiebzigtausend Kilometern in zweieinhalb Jahren brachte unser Camper uns von Alaska im Norden des amerikanischen Kontinents bis Feuerland im
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