Blutige Asche Roman
1
Auch ohne seinen markanten Schnurrbart erkannte ich Peter van Benschop an seinem selbstgefälligen Grinsen. Er saß an einem Fenstertisch und rauchte eine Zigarre.
»Mevrouw Kastelein, schön Sie kennenzulernen.« Er war aufgestanden und sprach dermaßen laut, dass ich mich fragte, ob er schwerhörig war. Erwartungsgemäß fest war auch sein Händedruck.
Er setzte sich wieder. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«
Ich sah auf die riesige kubanische Zigarre, die er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. »Zigarre? Ehrlich gesagt, ja.«
Er drückte das Ding bewusst umständlich in dem jungfräulich weißen Porzellanaschenbecher aus. Anschließend sah er mich spöttisch an.
Es war Lodes Idee gewesen, Peter van Benschop zum Lunch zu treffen: »Damit ihr euch besser kennenlernt.« »In unserem Beruf dreht sich alles um persönliche Kontakte«, hatte er drohend hinzugefügt.
»Oh Gott«, hatte ich gesagt - zugegebenermaßen kein besonders überzeugendes Gegenargument. Wahrscheinlich hoffte ich immer noch, dass Lode den Fall jemand anders übertrug.
Aber Lode hatte es für einen brillanten Schachzug gehalten, van Benschop eine Anwältin zuzuweisen. Und Martha Peters, seine Teilhaberin, war »zufälligerweise« zu beschäftigt,
obwohl sie sich eigentlich um alles kümmerte, was mit der Familie van Benschop zusammenhing, und ziemlich damit angab.
Peter van Benschop war allerdings etwas weniger vornehm als die restlichen van Benschops. Der einzige Nachkomme, der nicht in der florierenden Schiffswerft der Familie arbeitete, hatte sich für eine zweifelhaftere Karriere entschieden: eine in der Hardcore-Porno-Industrie.
»Peter van Benschop wüsste gern, mit wem er es zu tun hat. Er möchte eine Art Fleischbeschau vornehmen, wenn du verstehst, was ich meine.« Lode wartete auf meinen pflichtschuldigen Lacher und fuhr dann fort: »Um halb eins im Dickie’s, und zwar pünktlich .«
Ich bin ein Profi. Zumindest nehme ich mir das jeden Tag vor. Auch wenn ich Männer über vierzig vertreten muss, die mit naiven jungen Frauen widerliche Dinge tun, um sich an ihnen zu bereichern. Ich hängte meine Handtasche über die Stuhllehne, verschränkte die Hände und sagte freundlich: »Meneer van Benschop, was kann ich für Sie tun?«
Ein Kellner kam an unseren Tisch und fragte, was wir trinken wollten. Ich bestellte einen Orangensaft, van Benschop einen doppelten Espresso.
»Ich nehme an, Sie kennen die Akte?«
»Ich habe den Brief des gegnerischen Anwalts gelesen, ja.«
»Und die DVDs?« Wieder dieses Grinsen.
»Die habe ich auch bekommen.«
»Wie gefallen Sie Ihnen?«
»Einigen wir uns darauf, dass das nicht mein Lieblingsgenre ist, aber aus juristischer Sicht durchaus interessant.«
»Sie finden mich widerlich, stimmt’s? Sie halten mich für einen widerlichen alten Sack, der Spaß daran hat, Frauen wehzutun.«
»Ist das eine Selbsteinschätzung?«
»Nein, aber Sie sehen mich so.«
Ich überlegte einen Moment. Er hatte Recht. Dennoch lächelte ich und sagte: »So alt sind Sie doch noch gar nicht, oder?«
»Geben Sie’s ruhig zu. Es würde mich auch wundern, wenn es anders wäre. Sie finden mich ekelhaft, das Allerletzte. Trotzdem bekomme ich stapelweise Fanpost von Frauen. Von studierten, intelligenten Frauen, wie Sie eine sind.«
Der Kellner brachte unsere Getränke. »Wissen Sie schon, was Sie essen möchten?«
»Ich esse tagsüber nicht«, erwiderte Peter.
»Für mich bitte die Tomatensuppe«, sagte ich.
»Aber ich werde Ihnen ausnahmsweise Gesellschaft leisten. Das Clubsandwich. Und eine Portion Pommes. Mit Ketchup statt Mayonnaise.«
Der Kellner nickte freundlich und machte sich aus dem Staub.
Ich nahm einen Schluck von meinem Orangensaft. »Es gibt viele labile Menschen, auch Frauen. Dass Sie stapelweise Fanpost bekommen, bestätigt das nur.«
Er lachte. »Muss man labil sein, um Sex zu mögen, Iris?«
»Das hier geht weit über Blümchensex hinaus.«
»Haben Sie sich schon mal überlegt, dass manche Frauen auf so etwas stehen?«
»Ein paar labile Frauen, vielleicht«, sagte ich.
»Diese Frauen haben doch auch ein Recht auf Spaß?«
Ich musste wider Willen lachen. »Wollen Sie ernsthaft behaupten,
dass Sie eine Art Wohltäter für Menschen mit Psycho-Problemen sind?«
»Vielleicht.«
»Interessant.«
»Und was ist mit Ihnen? Haben Sie sich schon mal im Bett fesseln lassen?«
Ich erstarrte. »Das wird mir jetzt etwas zu persönlich.«
»Ich muss doch wissen, wer mich hier
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