Blutige Nacht: Roman (German Edition)
einer halben Portion aus. Ich frage mich, was sie an dir findet.«
»Ich nehme an, du hast dein Spiegelbild in letzter Zeit nicht gesehen«, gelang es mir durch den Würgegriff herauszupressen.
Ich machte ihn wütend, woraufhin er mich einmal quer durch das Zimmer warf. Ich schlug an der gegenüberliegenden Wand auf und prallte davon ab wie ein professioneller Catcher von den Ringseilen, dann kollabierte ich zu einem reglosen Haufen mitten auf dem Boden.
Mein Kopf drehte sich, meine Ohren klingelten, meine Sicht war an den Rändern grau verschwommen, und ich rollte mich zusammen und wartete auf den Todesstoß, der nicht kam. Als ich den Blick schließlich hob, sah ich Brasher, der sich wieder in seine menschliche Form zurückverwandelte. Ganz egal, was für einen hässlichen Vampir er auch abgab – als Mensch war er noch hässlicher. Er sah nach etwas aus, das man aus einem Grab ausgebuddelt hatte. Noch schlimmer, er sah falsch aus, nach einer Perversion der Natur, viel zu alt, um noch immer herumzuwandeln, zu reden und Luft zu atmen.
»Ich bitte um Entschuldigung. Leider geht immer mal wieder mein Temperament mit mir durch«, keuchte er. »Lass uns nicht streiten. Zumindest so lange nicht, bis wir wissen, worum wir streiten.«
»Ganz in meinem Sinn«, sagte ich, froh über jeden Aufschub.
Brasher wollte etwas sagen, entschloss sich dann aber für einen trockenen Hustenanfall. Das war nicht schön anzuhören. So wie er aussah, würde nichts, was er tat, jemals wieder schön sein. Ich wendete meinen Blick ab, mehr meinetwegen als seinetwegen, und wartete darauf, dass er aufhörte. Schließlich griff er zu einem befleckten Taschentuch in seiner satinroten Smokingjacke und tupfte seine blutigen Lippen damit ab.
»Ich habe mich wahrscheinlich etwas überfordert, als ich mit dir gespielt habe«, sagte er glucksend. Nach Luft schnappend wie ein altes Akkordeon, wankte er dann zu einem der wenigen Stühle, die noch intakt dastanden, und ließ sich darauf nieder. »Wenn du so alt wirst wie ich, wirst du herausfinden, dass wirklich alles, was du tust, mit einer saftigen Gebühr zu Buche schlägt.«
Ich wusste nicht, ob das ernst oder als Drohung gemeint war, aber da er von einem erneuten Hustenanfall geschüttelt wurde, ließ ich es dabei bewenden.
Als er dieses Mal damit fertig war, sagte er: »Du bist gekommen, um mich umzubringen.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
»Woher wusstest du das?«
Er nickte und lächelte bitter. »Ich weiß das schon seit einer ganzen Weile. Sie hat ihr Möglichstes getan, es vor mir zu verheimlichen, aber, tja, leider ist es ihr wohl doch nicht ganz gelungen. Unsere kleine Coraline ist mir vielleicht eine Nummer, oder?«
»Ja«, pflichtete ich ihm bei. »Das ist sie.« Damit schien alles gesagt zu sein. Plötzlich waren wir einfach zwei ganz normale Typen, die in dieselbe Lady verknallt waren.
»Ich nehme an, ich hätte so etwas vorausahnen müssen. Natürlich musste es so enden. Natürlich. Ich … es ist nur so … sie war so bezaubernd, da konnte ich nicht anders.« Er sah mich fragend an, als wollte er wissen, ob ich ihn verstand.
Ich nickte. Ich verstand ihn nur zu gut.
»Ich nehme an, das Sprichwort ›Alter schützt vor Torheit nicht‹ ist zutreffend. Es war dumm, aber ich ließ mich selbst in dem Glauben, dass sie etwas für mich empfand.«
»Das ist vielleicht die Quittung für die Verwandlung eines Mädchens, das jung genug ist, um deine längst verschollene Nachfahrin zu sein.«
Brasher nickte. »Du hast recht, natürlich. Ich hätte es nicht tun sollen. Das war mir klar, aber ich wollte doch einfach nur noch einmal die Liebe einer Frau erfahren, bevor …« Er schüttelte den Kopf und schwieg. »Und dann war sie so hartnäckig.«
Er muss in meinem Gesichtsausdruck etwas gelesen haben, denn er verzog seine Visage zu etwas, das einem Lächeln ähneln sollte. »Das überrascht dich.« Eine Feststellung, keine Frage.
»Du sagst, sie hat dich gebeten, sie in einen Vampir zu verwandeln?«
»Danach verlangt, um genau zu sein. Ich weiß nicht, woher sie von mir wusste, aber es gibt einige wenige Sterbliche, die wissen, was ich bin. Das lässt sich nicht vermeiden. Auf jeden Fall ist sie eines Abends hier aufgetaucht. Kam geradewegs zu meinem Haupttor geschlendert und hat mir durch die Sprechanlage mitgeteilt, sie hätte mir einen Vorschlag zu unterbreiten und wolle hereingelassen werden. Ich war neugierig und ließ sie eintreten.«
Brashers nächster
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