Blutige Nacht
hinter mir und trug ein leichenkaltes Lächeln in sich. Ich drehte den Kopf, um sie zu sehen, doch aufgrund der Wolkendecke und des Fehlens ihrer Körperwärme tauchte sie nur als toter Punkt in meiner Infrarotwelt auf. Wie bei einem schwarzen Loch konnte ich nur bestimmen, wo sie war, weil das nicht vorhandene Licht eine Kontur um sie herum bildete.
Ich versuchte mich aufzusetzen, aber meine verkümmerten Arme gaben unter mir nach, und zu meiner großen Beschämung landete ich mit dem Gesicht voran im Dreck. Coraline kam daraufhin zu mir und tröstete mich wie eine frischgebackene Mutter.
»Schon in Ordnung, Süßer. Kämpf nicht dagegen an. Du bist schwach. Das ist ganz normal.«
Sie setzte sich neben mich, nahm meinen Kopf in ihren Schoß und wischte mit eiskalter Hand die sandigen Schmutzpartikel von dem billigen Anzug, in dem der Staat mich begraben hatte.
»Keine Sorge, mein Liebster. Deine Coraline ist da. Ich werde mich um alles kümmern.«
»Was hast du mit mir gemacht?« Meine Stimme hörte sich an, als würde sie durch eine Käsereibe gepresst.
»Nichts, das du nicht selbst gewollt hättest. Sie wollten dich umbringen, Mick. Das wolltest du nicht und ich auch nicht, also habe ich dich unsterblich gemacht.«
»Du hast ein Monster aus mir gemacht.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wortklauberei.«
Ihre Lässigkeit verletzte mich – und zwar so richtig, wenn Sie es genau wissen wollen –, und wäre ich stärker gewesen, hätte es sein können, dass ich ihr eine knallte. Gewöhnlich halte ich nichts davon, Frauen zu schlagen, aber das war sie ja nun nicht mehr. Sie war zu etwas anderem geworden. Etwas Dunklem, Raubtierhaftem. Etwas Schrecklichem.
Genau wie ich.
»Wie auch immer – was geschehen ist, ist geschehen. Und es ist so, wie es jetzt ist. Wir müssen uns auf die Zukunft konzentrieren. Es gibt vieles, das wir besprechen müssen, wir beide, aber zuerst musst du zu Kräften kommen, und dazu musst du etwas zu dir nehmen. Du bist durstig, oder etwa nicht?«
Ich sagte nichts, starrte nur ins Leere. Über uns zog eine Wolke ab und gab den Blick auf den sichelförmigen Mond frei, der mir wiederum einen kurzen Blick in Coralines Gesicht erlaubte. Sie lächelte mich an, tot noch genauso schön wie lebendig. Sogar noch schöner.
Während ich sie betrachtete, zog sie ihr Hemd nach oben und entblößte ihre vollen Brüste in der kalten Nachtluft.
»Was machst du da?«
»Du bist mein Küken«, sagte sie. »Ich werde dich nähren, bis du stark genug bist, selbst nach Nahrung zu suchen. Schließlich braucht ein Junge im Wachstum Nahrung.«
Sie zog eine aufgerichtete Brustwarze zu ihrem Mund, biss mit einem sichelförmigen Eckzahn hinein und presste sie dann zusammen, damit das Blut daraus hervorquoll. Ein mütterliches Lächeln auf dem Gesicht, zog sie meinen Kopf zu sich und drückte ihre kalte, blutverschmierte Brust an meine Lippen.
Die Vorstellung, Blut zu trinken, insbesondere ihr Blut und noch dazu auf diese Weise, empörte mich. Ich konnte das nicht tun, wollte es nicht tun. Doch schlussendlich siegten der unwiderstehliche Geruch von Blut und mein eigener gieriger Durst. So ist es immer. Und sie hatte recht. Schließlich braucht ein Junge im Wachstum Nahrung.
Coraline brachte mich zu dem Zimmer, das sie in einer billigen Absteige gemietet hatte. Es lag etwas weiter oberhalb vom Gefängnis in der gleichen Straße; Familienmitglieder von Gefängnisinsassen, die zu Besuch waren, wohnten oft dort.
Beim Einchecken hatte sie die Kraft ihres hypnotischen Blicks angewendet, um dem Nachtportier ihren brennenden Wunsch einzuschärfen, niemand dürfe während der Dauer ihres Aufenthalts, aus welchem Grund auch immer, diesen Raum betreten. Er hatte sich bereit erklärt, dafür zu sorgen, dass dem Folge geleistet würde, und hatte ihr sogar galant angeboten, den übergroßen Schrankkoffer aus Eichenholz für sie ins Zimmer zu tragen.
Wir verbrachten die nächsten Tage abgeschieden vom Rest der Welt in diesem Koffer und die Nächte in einem wollüstigen gordischen Gewirr auf dem Bett. Obwohl unsere körperliche Liebe sich verändert hatte, neuerdings mit dem Beigeschmack von Dunkelheit, Blut und Gewalt vermischt war, war sie noch genauso leidenschaftlich, wie ich sie in Erinnerung hatte. Und obwohl ich hasse, es zugeben zu müssen, es fühlte sich gut an, wieder in ihren Armen zu liegen. Nichts anderes war mehr von Bedeutung. Und war es vielleicht noch nie gewesen.
Wir verkrochen uns in diesem
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