Blutiger Sand
knappe T-Shirts, ja sogar Mädels in Bikini und Badeschlapfen …
Orlando mokiert sich lautstark über die schlampigen Outfits. Daraufhin fühle ich mich umgehend verpflichtet, die schlecht angezogenen Gäste zu verteidigen: „Die sind hier eben nicht so versnobt wie bei uns.“
Bevor wir das Casino verlassen, fragen wir einen Wachmann, ob er uns einen Blick auf die Badelandschaft im Freien werfen lässt. Palmen, Sand, türkisfarbenes Wasser. Und überall die Kopien römischer und florentinischer Meisterwerke, angestrahlt von Dutzenden Scheinwerfern. Auch Michelangelos David beglückt die Hotelgäste mit seinem perfekten Körper.
Als wir den falschen Caesarenpalast verlassen, warten vor dem Eingang noch immer eine Menge Leute darauf, hineingelassen zu werden.
„Von mir aus können wir auch in den Cirque du Soleil gehen, wenn du keine Dragshows magst.“ Orlando deutet auf eine Leuchtreklame auf der anderen Straßenseite.
„Hab ich schon mal gesehen. Großartig! Die Karten kosten bestimmt ein kleines Vermögen.“
„Ich kann jetzt unmöglich schlafen.“
„Bringen wir zuerst einmal deine Einkäufe ins Hotel und dann schauen wir, ob wir wirklich noch Lust haben auszugehen. Okay?“
„Ich habe sicher Lust.“
Auf dem Weg zum Pink Flamingo redet Orlando von nichts anderem als von den tollen Shows. „Die Karten sind nicht so teuer, glaub mir. Ich habe zuhause im Internet nachgesehen. Die Preise bewegen sich zwischen fünfzig und hundert Dollar. Das ist fast geschenkt …“
„Du spinnst, oder du kannst nicht rechnen. Hundert Dollar sind ungefähr sechzig Euro. Das ist überhaupt nicht billig. “
„Man könnte fast denken, du gehst in Wien nie aus. Eine Karte für so ein teppertes Musical kostet bei uns auch an die hundert Euro.“
Er gibt nicht auf, jammert, dass wir ohnehin zu kurz in Las Vegas seien und er vermutlich kein zweites Mal in seinem Leben hierherkommen würde. Irgendwann gebe ich auf und willige ein, mit ihm eine Show zu besuchen. „Vergiss nicht, die Karten dürfen nicht mehr als sechzig Dollar kosten.“
Orlando besorgt sich an der Rezeption ein Programmheft und findet tatsächlich eine Dragshow mit erschwinglichen Eintrittspreisen.
Ich schlüpfe in meine schwarzen Jeans und lasse mich von ihm dazu überreden, ein weit ausgeschnittenes Desigual-T-Shirt anzuziehen, das meine vollen Brüste betont.
Zum Human Nature Theatre im Imperial Palace leisten wir uns ein Taxi.
Der alte Kasten sieht von außen recht prächtig aus. Das Theater erinnert mich allerdings an ein Puff. Nicht, dass ich schon mal in einem Puff gewesen wäre, aber ich stelle mir solche Etablissements genauso plüschig und schmuddelig vor.
Orlando ist wild entschlossen, Frank Marinos Show „Divas Las Vegas“ zu genießen, und beginnt wie wild zu klatschen, als der Transvestit die Bühne betritt. Ein paar eingefleischte Fans in der ersten Reihe jubeln Franky ebenfalls lauthals zu. Wahrscheinlich bezahlt er sie dafür.
Der Saal ist halbleer. „In der Pause setzen wir uns weiter nach vorn“, tuschelt Orlando mir ins Ohr.
Frank Marino imitiert die typisch amerikanische Hausfrau der 1960er-Jahre. Er trägt ein kleinkariertes Kostüm, hat die Haare zu einem Dutt hochtoupiert und die Lippen zuckerlrosa geschminkt. Er lässt kein Klischee aus. Ein Gag jagt den nächsten. Ich ärgere mich nicht einmal über diese billigen frauenfeindlichen Witze, langweile mich fürchterlich und gähne demonstrativ.
„Du hast einfach keinen Humor, Kafka. So was Tolles habe ich in Wien noch nie gesehen!“
Armes Schwein, denke ich. Will Orlando aber nicht die Freude verderben und halte meinen Mund.
Nach der Pause schicke ich ihn allein zurück in den Saal und rauche vor dem Imperial Palace eine zweite Zigarette. Da mir die Toleranz gegenüber Rauchern in dieser Stadt nicht geheuer ist, ziehe ich mich in eine dunkle Ecke, ein wenig entfernt vom protzigen Hoteleingang, zurück.
Plötzlich kommen drei Burschen aus dem Dunkel auf mich zu. Sie sehen nicht so aus, als hätten sie vor, ins Casino zu gehen. Der eine hält einen braunen Papiersack an seine Lippen. Ich nehme an, dass sich eine Bierdose oder eine Schnapsflasche darin befindet. Die anderen beiden haben Glimmstängel in der Hand.
Sie mustern mich ebenso abschätzig wie ich sie. Der Kleinste von ihnen starrt unverwandt auf meine Handtasche.
Okay, Boys! Mit Kleinkriminellen kenne ich mich aus. So mancher meiner Verwandten mütterlicherseits verdient seinen Lebensunterhalt mit
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