Blutleer
wirklich lieben würdest, hättest du mich niemals betrogen.«
Thomas sah sie an, als hätte sie ihm gerade eine tödliche Wunde beigebracht.
»Ich gebe dir keine Schuld, Thomas. Das mit Katharina wäre vielleicht nie passiert, wenn es zwischen uns noch stimmen würde. Aber du musst auch verstehen, dass da noch andere Gedanken sind. Zum Beispiel, ob du nur treu gewesen bist all die Jahre, weil du zu krank zur Untreue warst. Und dann kommen mir Zweifel, ob ich dich je wirklich gekannt habe.«
Er schloss die Augen. »Ich verstehe. So sehr habe ich dein Vertrauen zerstört.«
»Ja. So sehr!« Der Schmerz über den Verlust ihrer Liebe und ihres gewohnten Lebens, der Barbara die ganze Zeit verfolgt hatte, wich plötzlich einer Klarheit, von der sie sich fast geblendet fühlte. »Es wird nie wieder so sein, wie es war, Thomas. Das Einzige, worüber ich bereit wäre nachzudenken, ist, ob es sich lohnt, einen Neuanfang zu machen. Aber die Erinnerung an das, was wir zerstört haben, macht das sehr schwer.«
Sie schwiegen lange. Irgendwann sagte Thomas: »So siehst du das also.«
Sie nickte nur. Noch war sie wie betäubt, aber sie wusste, der Schmerz würde kommen und es würde sehr schlimm werden.
»Lass uns bitte reden, wenn ich den Fall hinter mir habe«, startete sie noch einmal einen zaghaften Versuch.
»Warum nicht jetzt?« Er wollte noch etwas sagen, aber da begann plötzlich Barbaras Handy in ihrer Tasche zu klingeln. Sie sprang auf.
»Lass es klingeln«, sagte er, aber sie schüttelte den Kopf.
Es war Hannah Maldien.
»Frau Hielmann-Pross, Barbara?« Die Stimme klang zaghaft.
»Ja. Wo sind Sie?«
»In einem Café in der Stadt. Ich kann ja nicht nach Hause.«
»Haben Sie Ihren Mann getroffen?« Barbara schloss vor Aufregung die Augen. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit, Maldien zu schnappen.
»Noch nicht.« Hannah stockte. »Ich habe den ganzen Tag nachgedacht. Er … er hat mir die Überfälle gebeichtet. Gestern am Telefon.«
»Die Überfälle? Und was ist mit den Morden?«
»Ich habe ihn danach gefragt, und er ist mir ausgewichen. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, Sie hätten sich geirrt. Aber nun bin ich sicher, er war es. Ich fühle es.«
»Wir wissen, dass Sie das Geld haben, Hannah. Er will damit fliehen. Und Sie wissen jetzt, was er getan hat. Wenn Sie ihm zur Flucht verhelfen, wird er anderswo wieder morden. Er kann nicht mehr aufhören damit.«
Vom anderen Ende der Leitung kam ein Schluchzer. »Ich weiß. Ich …« Sie brach ab. Barbara hörte, wie sie ihre Nase putzte. »Heute Abend auf dem Parkplatz am Ortsausgang von Kaiserswerth.«
»Wann?«
»Spät. Ich soll ab elf dort auf ihn warten.« Und damit legte sie auf.
»Verdammt«, fluchte Barbara. Dann wählte sie blitzschnell Jakubians Nummer und berichtete ihm, was geschehen war. »Ich komme sofort zum Präsidium. Bis elf ist es ja noch etwas hin.«
Die ganze Zeit hatte Thomas dagesessen und ihr zugehört. Jetzt stand er auf. »Ich bin hier ja jetzt wohl überflüssig«, sagte er.
»Es ist jetzt bald vorbei, Thomas. Wenn wir ihn heute Nacht schnappen … Und dann, Thomas, dann sollten wir wirklich reden.«
Er nickte nur und ging wortlos. Nicht einmal von Heinz verabschiedete er sich.
Barbara ging in die Küche. »Es geht los, Heinz. Maldiens Frau hat ihn verraten.«
»Du weißt gar nicht, wie gern ich heute Nacht dabei wäre.«
Jakubian hatte nach Absprache mit Staatsanwalt Roters und der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft die Einsatzzentrale nach Düsseldorf verlegt.
Der Parkplatz war aus Sicht der Polizei ein idealer Ort, um Maldien zu stellen, denn er lag in einer Senke. Es gab viele Sträucher, aber alles war einsehbar. Man konnte recht gut die Scharfschützen des SEK postieren, aber auch ganz unauffällig Zivilbeamte in seine Nähe bringen. Oberhalb der von der Straße abgewandten Seite liefen die Gleise der U-Bahnlinie zwischen Düsseldorf und Duisburg, die in beiden Städten bis auf wenige Kilometer oberirdisch fuhr, an der Kopfseite war dichte Wohnbebauung.
Was Barbara und Jakubian Sorgen machte, war, dass Hannah Maldien aufgelegt hatte, bevor Barbara mit ihr Details besprechen konnte. Ihr Handy hatte die Übertragung der Rufnummer abgeschaltet, sie war auch nirgendwo registriert. Für ein Ausfindigmachen der Nummer war die Zeit zu kurz, und wenn sie erst in die Nähe des Treffpunktes kam, war ein Anruf ohnehin zu riskant. Deshalb fürchteten alle, dass Hannah Maldien unnötig in Gefahr gebracht werden
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