Blutsäufer (German Edition)
jetzt, wo er
eine andere Frau kennengelernt hat, willst du …“ Sie schüttelte den Kopf.
„Weißt du, wie sich das für mich anhört? Tut mir leid, aber das hört sich für
mich nicht ganz gesund an.“
Karla Eisenherz schoss von ihrem Stuhl hoch.
Das Gespräch wurde nun etwas lauter geführt. Bernstein kam es gelegen. „Hältst
du mich für ´ne verrückte Stalkerin, Simone?“
„Soll ich ehrlich sein?“
„Klar sollst du ehrlich sein. Aber sag ja
nichts Falsches, okay? Ich warn dich, Simone!“
„Nun setz dich erst mal wieder hin. Wenn du
dich jetzt sehen könntest.“ In dem Gesicht der Studentin arbeitete es. „Eins
verstehe ich immer noch nicht. Einmal sprichst du davon, dass du gesehen hast,
wie er in diese Bar ging, und dann davon, dass er bei einer Frau eingezogen
ist. Ja, was denn nun? Klingt alles bisschen wirr, wenn ich dir das mal als
deine beste Freundin sagen darf.“
Bernstein nickte zustimmend.
Karla verdrehte die Augen. Sie hielt den
langen, schmalen Eislöffel wie eine Waffe vor sich, wie ein Messer. „Als er aus
der Bar kam, war er nicht mehr allein. Da war diese Frau, so ´ne Schwarzhaarige.
Die kam zuerst raus, und er …“ Sie schien zu überlegen. „Seltsam, sie ist den
ganzen Weg vorausgegangen in ihrer engen schwarzen Nuttenkleidung, und er ist
ihr hinterher gedackelt wie ´n tapsiger Pudel. Ist das nicht merkwürdig? Ich
bin ihnen aus sicherer Entfernung mit meinem Fahrrad gefolgt, bis zu ihrem Haus
in dieser dunklen, kleinen Straße direkt am Wald. Es kam mir so vor, als wüsste
Ulli gar nicht, was er da tut und als wär ihm die Frau fremd. Und …“ Sie starrte
einen Moment in ihren Eisbecher, als suchte sie darin nach einer Eingebung oder
den passenden Worten. „Und Ulli wirkte irgendwie ängstlich. Ja, ängstlich
wirkte er. Er hat mir so leid getan.“
„Der Ulli war verängstigt?“
„Ja.“
„Hat doch sonst immer die größte Fresse auf
dem Schulhof gehabt, dein geliebter Ulli. Ich kenn den nämlich noch aus der Schulzeit.
Naja, dünnhäutig, aber ´ne dicke Hose drüber.“
Karla funkelte ihre beste Freundin böse an.
„Was ich immer noch nicht begreife“, fuhr die
beste Freundin fort, „lebt er jetzt bei der Frau oder ist er komplett vom
Erdboden verschwunden?“
„Das weiß ich doch nicht. Sag mal, hörst du
mir eigentlich zu? Ich fahr jeden Tag mit meinem Fahrrad zu dem Haus, habe ihn
dort aber nie wieder gesehen. Ich fahr nach der Vorlesung gleich noch mal hin.
Diesmal werde ich klingeln, ich werde Sturm klingeln, bis man mir öffnet! Und
die alte Hexe prügel ich durch, bis sie wie ein plattgehauener Schinken am
Haken hängt und mir verrät, was sie mit Ulli gemacht hat oder wo er abgeblieben
ist.“
„Vielleicht solltest du doch besser die
Polizei informieren, Karla. In deiner jetzigen Verfassung machst du dich bloß
unglücklich.“
„Ich brauche keine Polizei. Ich regel das
schon allein. Falls Ulli in dem Haus gefangen gehalten wird, hol ich ihn da
raus.“
„Warum sollte er da gefangen gehalten werden?
Deine Fantasie möchte ich haben. Ich sag ja, du …“ Sie warf einen Blick auf
ihre Armbanduhr, rief „Herrje!“ und „Herrjemine!“ und stand auf. „Nee, ich sag
jetzt nichts mehr. Unsere Vorlesung fängt gleich an. Wir wollen doch Psycho nicht
verpassen, oder?“
Psycho? Waren die beiden Psychologie-Studentinnen?
Egal, unwichtig, dachte Bernstein.
„Red doch mal nach der Vorlesung mit dem
Professor. Der hat doch mal praktiziert. Der kann dir vielleicht helfen bei
deinen … Problemchen.“
„Der? Der hat doch selber die größte Vollmeise,
wenn du mich fragst. Wenn ich ein Problem hätte , würde ich ganz sicher
nicht zu der alten Wirrbacke gehen. Komplett verrückt bin ich ja nun doch noch
nicht.“
Bernstein hatte noch den halbvoll zurückgelassenen
Eisbecher ausgelöffelt, ehe er in seinem Auto vor der Uni darauf wartete, dass Psycho aus war und die verrückte Stalkerin wieder auftauchte. Er war halb am Eindösen,
als sie mit ihrem alten Damenrad an ihm vorbeieierte. Er ließ den Wagen an,
legte den ersten Gang ein und folgte ihr in einigem Abstand. Sie führte ihn
scheinbar durch die halbe Stadt. In ihm kam der Verdacht auf, dass sie auf dem
Weg nach Hause war und das Haus der Hexe heute möglicherweise gar nicht
mehr ansteuern würde. Und tatsächlich endete die Fahrt vorerst in einer grauen
Wohngegend vor einem Hochhaus. Der Betonturm verschluckte Karla und ihr Fahrrad
und spuckte beide fünf Minuten später wieder
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