Blutsgeschwister
Fancy auf den Stuhl quetschte und sie mit ihren scharfen Hüftknochen stieß, gab Fancy ihr ihren Anteil, damit sie ihn verwahrte.
Kit fächelte sich mit dem Geld Luft zu. »Wenn du uns weiter so bezahlst«, sagte sie, als Madda sich zu ihnen an den Tisch setzte, »fliegen wir bald in einem Privatjet weg, und du wirst uns nie mehr wiedersehen.«
»Jeder fliegt irgendwann aus. Kit, setz dich auf deinen eigenen Stuhl.«
Als sie alle ihre richtigen Plätze eingenommen hatten, sagte Madda: »Ich werde mich gleich zurückziehen und tief und fest schlafen. Deshalb wollte ich euch noch daran erinnern, neue Kleider zu kaufen. Besonders dich«, fügte sie hinzu und scheuchte Fancy von ihrem Teller weg. »Ich schwöre dir, da ist kein einziges Teil in deinem Schrank, das noch passt.«
»Warum brauchen wir neue Kleider?«, fragte Fancy, den Mund voll mit Maddas Bacon.
Madda strich Fancys Haar zur Seite. Sie hatte es sich zusammen mit dem Bacon in den Mund geschoben. »Für Juneteenth. Du bist jetzt fünfzehn. Mehr als alt genug, um am Freiheitstag teilzunehmen.«
Der Bacon blieb Fancy im Hals stecken.
Kit bemerkte Fancys Elend und sagte: »Ich bin seit zwei Jahren alt genug, und ich musste nie hingehen.«
»Wärst du ohne Fancy gegangen?«
»Natürlich nicht!«
Madda breitete die Hände aus, als wollte sie sagen: Siehst du! Dann fuhr sie fort, als sei alles entschieden: »Also, neue Kleider. Was richtig Schönes für die Flaschenzeremonie.«
Kleider? Zeremonien? Sich unters Volk mischen? Fancy sagte: »Ich will nicht nach Cherry Glade.«
»Warum nicht?«, fragte Madda, obwohl sie so klang, als hätte sie Fancys Reaktion erwartet.
Fancy warf Kit einen hilflosen Blick zu, die daraufhin für ihre Schwester antwortete: »Derselbe Grund, aus dem ich nicht gehen will. Wir hassen es, wenn uns Leute anstarren und Sachen sagen. Vergiss es. Sommerferien heißt, dass wir uns nicht den Scheiß der anderen Leute geben müssen.«
Madda sagte: »Jeder geht an Juneteenth nach Cherry Glade.«
»Aber …«
»Und das wär’s dann.« Wenn Madda sich entschieden hatte, dann blieb es so, wie bei Kit. Nur war Madda noch sehr viel entschiedener. »Ich weiß, wie schüchtern Mädchen sind«, sagte sie sanft. »Aber Juneteenth bedeutet etwas, besonders für unsere Familie. Ihr Mädchen seid direkte Nachfahren von Cherry du Haven. Sie …«
»Wissen wir, wissen wir«, unterbrach Kit. Die Schwestern hatten alles Wissenswerte über Cherry du Haven schon eine Million Mal gehört. »Es war einmal eine berühmte Sklavin, die starb, und dann kam sie als Geist oder so was zurück, um all den guten schwarzen Kindern in der Stadt ihre Wünsche zu erfüllen.« Sie tippte Fancy mit einem unsichtbaren Zauberstab auf den Kopf. »Bibbidi-bobbidi-boo!«
Madda kratzte genervt mit ihrem Löffel auf dem Teller herum. »Eines Tages werdet ihr Mädels euch noch wünschen, ihr hättet ein bisschen besser bei der Familiengeschichte aufgepasst. Cherry war was Besonderes . Und das hat sie durch die Generationen weitergegeben, vielleicht sogar an euch. Big Mama hat mir all die Geschichten erzählt über …«
Kit tat so, als würde sie schnarchen, und Madda gab schließlich auf. An jedem anderen Tag hätte Kit Interesse gezeigt, aber Fancy nahm an, dass ihre Schwester wenigstens diese Schlacht gewinnen wollte.
Fancy versuchte, sich zu beruhigen. Es war nur ein Tag, und sie hatten viel Zeit, um sich mental darauf einzustellen, unter so vielen Menschen zu sein. Nur ein Tag, und dann hätten sie den Rest des Sommers für sich.
»Was habt ihr heute so vor?«, fragte Madda Fancy.
»Wir gehen zum Bony Creek.« Sie warf Kit einen trotzigen Blick zu. »Nach dem Frühstück.«
»Nicht direkt danach«, warf Kit zurück. »Vielleicht später.«
»Ihr wisst, dass ihr vorsichtig sein müsst?«, sagte Madda. »Die Kreischer treiben sich im Wald rum. Früher blieben sie immer beim Dunklen Park.« Madda schüttelte den Kopf. »Heutzutage machen sie sich in der gesamten Stadt breit.«
Kit sagte: »Wir können mit Kreischern umgehen. Ein guter Tritt gegen den Kopf, und sie sind platt. Huaaa!«
»Nicht nur Kreischer«, fuhr Madda fort, als Kit karatemäßig einige Erdbeer- und Bananenscheiben aus der Obstschale aufspießte. »Auch Wildschweine. Und Leichen.«
»Leichen?« Kit schnaubte. »Was können die uns denn, außer uns zu Tode stinken?«
Madda schwieg so lange, dass die Schwestern aufhörten zu essen und sie anstarrten. Dann sagte sie: »Ich denke mal, ihr habt
Weitere Kostenlose Bücher