Bodensee - Piraten auf der Spur
war. Sie hatte beide Zeigefinger in der Unterlippe eingehängt und zitterte.
„Was ist denn los? War irgend etwas?“ erkundigte sich der Junge.
Das Schlagersternchen schien ihn nicht zu hören. Deshalb wiederholte Dominik seine Frage etwas lauter.
„...ist es wirklich... tot... war... erkannt...“ stammelte Dotty aufgebracht. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie durch die Glastür auf den Gang.
„Die spinnt zum Quadrat“, dachte Dominik und schlug sein Buch auf.
Über seinem Kopf flammten plötzlich Lampen auf. Gleich darauf ertönte ein langes, tiefes „Tuuut“, und der Zug fuhr in den Arlbergtunnel ein. Vor den Fenstern herrschte tiefe Finsternis.
„Huuaaaa... uaaaa... wwww...“ waren die Laute, die Dotty Dollarkoller nun von sich gab.
Der Junge wollte ihr wieder einen bösen Blick zuwerfen, als plötzlich alle Lichter im Waggon erloschen. Dominik hörte schnelle, trampelnde Schritte auf dem Gang. Er blieb stocksteif sitzen und klammerte sich an das kleine Tischchen unter dem Fenster. Dunkelheit jagte ihm stets Angst ein.
Türen von Abteilen wurden geöffnet.
„Was ist denn los? Licht! Herr Schaffner, was soll das?“ riefen einige Fahrgäste durcheinander. Es entstand ein kleiner Tumult im Waggon.
Neben Dominik klickte die Schiebetür des Abteils. Der herbe Geruch eines Rasierwassers stieg ihm in die Nase.
„Wer... wer ist da?“ fragte der Junge leise. Er bekam keine Antwort.
„Aua!“ schrie Dominik und zog die Beine an. Jemand war ihm fest auf die Zehen getreten.
„Auuhhh...!“ kreischte Dotty ihm gegenüber. Ihr Schrei riß aber schnell wieder ab, und es folgten ein paar erstickte Laute.
Ein wildes Klingeln und Klimpern der kleinen Glöckchen war zu hören. Noch einmal trampelte jemand über Dominiks Schuhe.
„He, paß auf... du bunte Kuh!“ schimpfte er.
Peng! Mit einem leisen Knall war die Tür des Abteils zugefallen.
Dominik japste nach Luft. Was... was hatte das alles zu bedeuten? Gerade als er darüber grübelte, ging das Licht wieder an.
Der Junge zuckte überrascht zusammen. Die andere Bank war leer. Von Dotty Dollarkoller keine Spur.
„Verzeihen Sie, meine Herrschaften. Ein kleiner Kurzschluß!“ hörte er den Schaffner draußen durch den Waggon rufen.
„Komisch“, überlegte der Junge. „Wo ist die Schlagerschnepfe hinverschwunden? Ist sie mir auf die Zehen gestiegen? Mußte sie in der Dunkelheit vielleicht auf die Toilette? Ihr Schrei hatte so seltsam geklungen. Wieso?“
Viele Fragen, auf die Dominik im Moment keine Antwort fand...
Die goldene Kuh
Am Bahnhof von Bregenz wurde Dominik bereits ungeduldig von seinen Eltern erwartet. Die beiden hatten ihren Sohn fast drei Wochen nicht gesehen, dementsprechend stürmisch fiel die Begrüßung aus.
„He, was ist denn das? Ein Kuscheltier?“ fragte Herr Kascha erstaunt und deutete auf einen ziemlich großen Plüschfrosch. Er lag neben dem Koffer seines Sohnes auf dem Bahnsteig.
„Das ist ein Rucksack“, erklärte Dominik seinem Vater und zeigte ihm zum Beweis die beiden Riemen, die an der Figur befestigt waren.
„Gehört das Ding dir?“ wollte seine Mutter wissen.
Dominik schüttelte den Kopf. „Das... das ist eine seltsame Sache“, erzählte er. „Diese Tasche hat ein Mädchen vergessen, das bei mir im Abteil saß. Es ist während der Fahrt plötzlich verschwunden. Ich habe alle Toiletten und auch den Speisewagen abgesucht, aber es war nirgendwo zu finden. Ausgestiegen ist es aber nicht. Ich habe bei jeder Station geschaut. Diese bunte Kuh...“
Frau Kascha blickte ihren Sohn fragend an. „Wer bitte?“
„Na, dieses Mädchen mit den knallbunten Zöpfchen wäre meiner Aufmerksamkeit nie entgangen. Ich habe den Verdacht, ihr ist etwas zugestoßen. Sie könnte sogar das Opfer eines Verbrechens geworden sein. Als es im Arlbergtunnel plötzlich stockfinster geworden ist...“
Dominiks Mutter lächelte ihren Sohn halb liebevoll, halb belustigt an. Man konnte sehen, daß sie seinen Verdacht für puren Unsinn hielt.
„Ja klar“, spottete sie. „Bestimmt ist sie entführt worden. Oder aber sie ist aus dem fahrenden Zug gesprungen und durch eine Geheimtür in der Tunnelwand verschwunden!“
Dominik verzog beleidigt den Mund. Er konnte es nicht ausstehen, wenn sich seine Eltern über ihn lustig machten.
„Die junge Dame wird ihre Gründe gehabt haben, wieso sie das Abteil verlassen hat. Außerdem kannst du ohne weiters übersehen haben, daß sie aus dem Zug gestiegen ist. So, und jetzt
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