Bordeuax
zur Bank fuhren und die Schecks
einlösten, um die Insolvenz zu verhindern.
Ich machte den nächsten Brief auf,
aber der war bloß von einem Restaurant. Mir wurde mitgeteilt, dass man nach dem
letzten bedauerlichen Zwischenfall leider keine weiteren Reservierungen in
meinem Namen mehr annehmen könne. Ich konnte mich an keinen Zwischenfall
erinnern.
Ich kehrte zu dem naheliegenderen
Problem zurück und goss mir, um besser überlegen zu können, noch ein Glas Wein
ein. Die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, war, noch mehr Aktien zu verkaufen
und das Geld der Bank zu überweisen. Ich rief meinen Aktienhändler an und
sagte, als ich ihn endlich erreichte: »Chris. Ich muss noch mal ein paar Aktien
verkaufen.«
»Guten Morgen, Wilberforce«, sagte
er. »Wie geht es Ihnen?«
Ich hatte vergessen, dass
Christopher Templeton ziemlich altmodisch war und man erst Smalltalk hinter
sich bringen musste -»Wie ist das Wetter?«, »Was machen die Kinder?« -, bevor
man zur Sache kommen konnte. Ursprünglich war er unser Finanzberater, als wir
überlegt hatten, mein Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, aber
dann kam es nicht dazu, und ich hatte ihm etwas Geld gegeben, um das er sich
kümmern sollte - als Entschädigung für die entgangenen Honorare.
»Könnte nicht besser sein. Wie geht
es Ihrer Familie?«
»Oh, danke, sehr gut. Ivor ist jetzt
im Cricketteam seiner Schule, und Maria ...« So ging es minutenlang weiter,
ermüdende Details über seine Kinder, die ich einmal kennengelernt habe, als er
mich auf den Lord's Cricket Ground zu einem Spiel eingeladen hatte; das war zu
der Zeit, als ich noch am gesellschaftlichen Leben teilnahm.
Nach einer Weile musste er einen
gewissen Mangel an Interesse aus meinen einsilbigen Antworten herausgehört
haben und fragte in etwas forschem Tonfall: »Wie viel wollen Sie flüssig
machen, und bis wann brauchen Sie es?«
»Hunderttausend würden mir reichen,
bis Ende der Woche, wenn möglich.«
»Heute ist Freitag, das könnte etwas
schwierig werden.«
»Ach, ja?«
»Sekunde mal. Ich hole mir eben Ihre
Kontendaten auf den Schirm.« Es folgte eine Pause, Tastaturgeklapper im
Hintergrund, dann sagte Chris, mit veränderter Stimme: »Sie haben gar keine
hunderttausend Pfund in Ihrem Depot bei uns, Wilberforce. Ich habe mir Ihr
Konto lange nicht mehr angesehen, aber wie ich feststelle, sind regelmäßige
Abbuchungen vorgenommen worden, und der Stand ist in den letzten Jahren
zurückgegangen.«
Ich überlegte. Die Information war
enttäuschend, aber kam nicht unerwartet. »Und?«, fragte ich. »Wie viel können
Sie flüssig machen?«
»Das hängt vom Markt ab. Sie haben
einige BP-Aktien und welche von Glaxo Smith Kline, beides sehr gute
Qualitätsaktien. Dafür bekämen Sie ungefähr fünfzigtausend. Damit wäre das
Paket aufgebraucht.«
»Bitte, verkaufen Sie sie.«
»Die Besteuerung der Kapitalerträge
aus diesen beiden Verkäufen wäre allerdings sehr hoch«, sagte Chris.
Darüber wollte ich mir Gedanken
machen, wenn es so weit war. Ich dankte Chris für seine Hilfe und bat ihn, das
Konto zu schließen, wenn der Verkauf getätigt war. Wir bestätigten uns
lustlos, dass man sich irgendwann mal auf ein Glas treffen müsste, aber ich
glaube, Chris meinte es nicht ernst. Ich jedenfalls meinte es ganz bestimmt
nicht ernst. Warum sich in einem Lokal verabreden und das Risiko eingehen,
irgendeinen grauenvollen Hauswein angeboten zu bekommen, wenn man viel bequemer
in den eigenen vier Wänden richtigen Wein trinken kann?
Ich schlitzte weiter die offiziellen
Umschläge auf, die sich in den vergangenen Tagen angehäuft hatten, und verteilte
sie auf zwei Stapel: Auf den einen die Rechnungen, die bezahlt werden mussten,
wenn ich weiter die Grundversorgung mit Heizung und Strom in Anspruch nehmen
wollte, auf den anderen die Rechnungen, die bis zur nächsten Mahnung warten
konnten. Zu guter Letzt stieß ich auf einen Brief von Her Majesty's Revenue and
Customs Capital Taxes Office, der obersten Steuerbehörde Ihrer Majestät. Ich
öffnete den Brief, wie ich alles von diesem Absender öffne: mit einer gewissen
Vorahnung. Ich wurde zur sofortigen Zahlung von fälligen Steuern in Höhe von
fünfzigtausend Pfund für Aktienverkäufe des vergangenen Jahres aufgefordert,
plus der durch die Verspätung aufgelaufenen Zinsen.
Ich saß an meinem Schreibtisch, und
mir war nasskalt vor Schweiß. Gerade hatte ich die letzten Aktien aus einem
Portfolio verkauft, das einmal einen
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