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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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hatte mir sogar ein
Taxi besorgt, das mich nach Hause brachte.
    Der Taxifahrer sah mich im
Rückspiegel an, als ich einstieg. »Mein lieber Mann, Sie sehen ja ganz schön
ramponiert aus«, sagte er munter.
    Ich erwischte einen kurzen Blick von
mir im Spiegel. Mein Gesicht war auf der Seite, auf die ich gestürzt war,
grell violett, und ein dicker Verband klebte über der Stelle, wo ich mich
geschnitten hatte. »Ich war in Bogota«, sagte ich.
    »Echt? Muss ja ziemlich hart
zugehen, da«, sagte der Fahrer.
    Zu Hause setzte ich mich in die
Küche, unendlich erleichtert, wieder in meinen eigenen vier Wänden zu sein. Ich
fühlte mich immer noch ausgesprochen unwohl und sehr leer, aber ein zweiter
Gang zum Lebensmittelgeschäft erschien mir momentan nicht sonderlich reizvoll.
Ich konnte Colin bitten, mir ein paar Sachen mitzubringen, wenn er später
vorbeischaute.
    Mittlerweile war es wirklich sehr
lange her, dass ich ein Glas Wein getrunken hatte. Mit, zugegebenermaßen,
zitternden Händen öffnete ich die letzte Flasche Château Carbonnieux. Ein Alkoholiker,
und ich bin keiner und war auch nie einer, hätte sich niemals hingesetzt und
die Flasche eine halbe Stunde atmen lassen, bis der Wein auf Zimmertemperatur
angestiegen war. Ein Alkoholiker hätte den Wein niemals liebevoll in den
riesigen Kelch eines Probierglases gegossen, damit sich das Bukett richtig
entfalten konnte. Noch hätte er zuerst überprüft, ob das Glas auch nicht
staubig war. Ein staubiges Glas kann den Geschmack eines Weins zerstören. Ich
konnte nichts Befremdliches erkennen an dem Glas, nur ein leicht schimmliger
Geruch durchzog das ganze Haus. Ich musste mich darum kümmern, jemanden zu
bestellen, der einmal lüftete.
    Ein Alkoholiker hätte niemals die
dunkelrote Flüssigkeit behutsam im Glas geschwenkt, um das Aroma des Weins
einzufangen, hätte nie nur einen einzigen Schluck genommen, damit sich die
komplexe Chemie des Weins auf der Zunge freisetzen konnte. Er hätte sich nicht
die Mühe gemacht, den Geschmack des Weins in den anerkannten Begriffen der
Weinverkoster zu charakterisieren: süße schwarze Kirsche, toastige Eiche im
Abgang.
    Auf diese angenehme Weise ging der
Tag vorüber. Mir war immer noch seltsam zumute, so ein Grollen im Blut, als ob
sich irgendwo, nicht allzu fern, ein Gewitter zusammenbraute. Ich schob das
auf das traumatische Erlebnis meines Sturzes und, schlimmer noch, die zwei Tage
Aufenthalt im Krankenhaus. Ich freute mich auf Colin, wenn auch nicht unbedingt
auf das, was ich von ihm zu hören bekommen würde. Es wäre das übliche Zeug,
vielleicht noch etwas mehr über diese komische Krankheit. Wenn Colin auf dieses
medizinische Zeug zu sprechen kam, konnte er einen wirklich langweilen, aber
da er nun mal Arzt war, durfte ich wohl nichts anderes von ihm erwarten. In
Wahrheit fühlte ich mich einsam. Als ich mir, bevor ich einkaufen gegangen war,
die Fotos mit Catherine und Ed angeschaut hatte, war mir auf einmal wieder
bewusst geworden, wie schön es eigentlich gewesen war, Freunde zu haben.
Ehrlich gesagt, es war wunderbar gewesen. Eigentlich war es das einzige Mal in
meinem Leben, dass ich Freunde gehabt hatte.
    Ich dachte an die Zeit, als ich noch
in Nordengland gelebt hatte, bevor mich die Umstände dazu gezwungen hatten,
alle Verbindungen - den Wein ausgenommen - zu diesem Abschnitt meines Lebens
zu lösen. Ich erinnerte mich an die spannende, hektische Zeit, als ich meine
Firma aufbaute: zuerst im Gästezimmer meiner düsteren Wohnung, dann in einem
gemieteten Raum in einem alten Lagerhaus und schließlich in dem Palast aus
Glas und Marmor, in dem sie untergebracht war, als ich sie verkaufte. Damals
hatte ich keine Freunde, außer meinem Geschäftspartner Andy. Ich brauchte
keine. Für Geselligkeit hatte ich keine Zeit. Ich war zufrieden damals, wenn
nicht sogar glücklich.
    Ich dachte an die Monate und Jahre
meiner Freundschaft mit Francis, an die Leute, die ich durch ihn kennengelernt
hatte: Ed Simmonds, Eck Chetwode-Talbot, Annabel Gazebee und natürlich
Catherine. Damals war ich wirklich ein glücklicher Mensch.
    Und heute? Ich war noch immer
glücklich, oder? Nur anders als vorher. Mein Leben hatte sich verändert, durch
das, was auf der Fahrt von Caerlyon hierher passiert war. Doch, ja, ich war
noch immer glücklich: Es war nur ein anderes Gefühl als das, was ich vorher als
Glück bezeichnet hätte. Außerdem war ich manchmal etwas einsam. Es wäre ganz
schön gewesen, über meine Weinsammlung gelegentlich

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