Bova, Ben - Asteroiden-Trilogie 3
muss, wird er einen guten Grund dafür haben. Aber Wanamaker glaubte selbst nicht so recht daran. Der Kapitän macht es sich zu leicht, sagte er sich. Er führt den Angriff nicht konsequent durch.
Er drehte sich langsam und suchte den düsteren Raum nach Tashkajian ab. Sie war an ihrem Schreibtisch auf der anderen Seite der Kommandozentrale. Es ist ihr Plan, sagte Wanamaker sich. Sie hat ihn mit dem Kapitän ausgearbeitet. Wenn die frühe Freisetzung der Ladung ein Fehler ist, wird sie es mir schon sagen.
Aber was würde das bringen? Ein anders lautender Befehl von mir käme ohnehin zu spät.
Tashkajian erhob sich von dem kleinen Rollenstuhl, als er sich ihrem Schreibtisch näherte.
»Sie haben den Bericht von der Cromwell gesehen?«, fragte Wanamaker.
»Ja, Sir.«
»Und?«
Sie zögerte für einen Moment. »Er handelt wahrscheinlich richtig. Die Raketen sind klein, zumal Vestas Radar noch von der Strahlung blockiert wird.«
»Aber er sagte doch, dass die Wolke sich wieder auflöst.«
»Unsere Berichte von den IAA-Kontrollstationen …«
Ein Jubelruf von einer der Konsolen unterbrach sie. »Sie haben sie gefunden!«, rief ein männlicher Techniker mit strahlendem Gesichtsausdruck. »Sie haben Pancho gefunden! Sie lebt!«
Dass sie das Bewusstsein verloren hatte, erkannte Pancho erst, als der quälende Schmerz sie wieder weckte. Sie blinzelte mit verklebten Augen und sah, dass jemand in einem bauchigen Hartschalen-Raumanzug sie aufhob, ohne auf den gebrochenen Knöchel zu achten.
»Jesus Christus auf einer Harley!«, stöhnte sie. »Seien Sie vorsichtig, um Himmels willen.«
»’tschuldigung«, sagte die Gestalt im Raumanzug. Pancho hörte die Stimme in den Helm-Ohrhörern.
»Das Bein ist gebrochen«, sagte sie – oder schluchzte sie beinahe, so sehr schmerzte es.
»Ich pass schon auf«, sagte der Typ im Raumanzug. Pancho, vom Schmerz benebelt, wurde sich bewusst, dass sie zu dritt waren. Einer hielt sie an den Schultern, ein anderer an den Beinen und der Dritte schwebte an ihrer Seite, als sie sie vom Wrack des Raumboots wegbrachten.
»Ich werde den Knöchel ruhig stellen, sobald wir Sie zu unserem Raumboot gebracht haben«, sagte der Mann. »Ich bin Sanitäter, Ms. Lane.«
»Das habe ich schon spitzgekriegt«, schimpfte sie. »Totale Schmerzunempfindlichkeit – gegenüber den Schmerzen anderer Leute.«
»Wir wussten nicht, dass Ihr Knöchel gebrochen ist, Ma’am. Sie waren bewusstlos, als wir Sie fanden. Sauerstoff hatten Sie auch fast keinen mehr.«
Klugscheißer, sagte Pancho sich. Aber sie hielt an sich. Ich sollte diesen Pinguinen dankbar sein, dass sie sich auf die Suche nach mir gemacht haben. Bei jedem Schritt schoss ihr ein stechender Schmerz durchs Bein.
»Wir mussten über einen Kilometer von der Absturzstelle entfernt landen«, sagte der Medizinstudent. »Hier ist zu wenig Platz, um ein Raumboot herunterzubringen.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Wir werden in zehn bis fünfzehn Minuten ankommen. Dann kann ich Ihren Knöchel richten.«
»Lasst mich nur nicht fallen«, knurrte Pancho.
»Der Boden ist sehr steinig und uneben. Wir versuchen unser Bestes.«
»Lasst mich nur nicht fallen«, wiederholte sie.
Sie ließen sie nur einmal fallen.
Als Selenes Rettungsmannschaft Fuchs, seine dreiköpfige Besatzung und die Humphries-Sicherheitsleute ins Krankenhaus brachten, hatte Fuchs die Geistesgegenwart, sich als Karl Manstein auszugeben.
Medizinisches Personal legte die Überlebenden des Feuers auf Rolltragen und transportierten sie zu Betten, die durch Plastikvorhänge abgetrennt waren.
Fuchs wusste, dass er und seine Mannschaft das Krankenhaus auf schnellstem Weg verlassen mussten. Er lag auf dem sauberen weißen Laken, starrte an die cremefarbene Decke und fragte sich, wie weit die anderen von ihm entfernt waren. Er erinnerte sich, dass Nodon verwundet war. Das wird eine Flucht erschweren.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Manstein als Deckname und Fiktion enttarnt wird. Und dann?
Und dann kam ihm eine neue Idee, und plötzlich schaute er in seinem abgetrennten Bereich mit einem Lächeln zur Decke empor.
»Ist noch jemand drin?«, hatte der Einsatzleiter gefragt, als Fuchs und der Humphries-Sicherheitschef endlich durch die Luke und die provisorische Luftschleuse wankten, die Selenes Rettungskräfte aufgebaut hatten.
Der Sicherheitschef hatte ernst den Kopf geschüttelt. »Keine Überlebenden«, hatte er gesagt.
Humphries ist tot, triumphierte Fuchs. Er hätte vor Freude
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