Bova, Ben - Asteroiden-Trilogie 3
brauche wieder einen Schuss.
»Falls er an Bord eines dieser Schiffe ist, werden wir ihn sicher finden«, sagte der Erste Offizier.
»Was meinen Sie, wie viele Leute wir losschicken könnten? Sechs? Zehn? Ein Dutzend?«
»Zehn auf jeden Fall. Mit Handfeuerwaffen und Minigranaten bewaffnet. Die Zivilisten in den Schiffen würden es nicht wagen, sich ihnen entgegenzustellen.«
Harbin verspürte einen Anflug von Müdigkeit, die ihm ins Gebein fuhr. Es wäre gut, mal eine Nacht durchzuschlafen, sagte er sich.
Ohne Träume.
»Und was veranlasst Sie zu der Annahme, dass in diesen Schiffen nur Zivilisten sind?«, fragte er laut.
Der Erste Offizier blinzelte hektisch und sagte nach kurzer Überlegung: »Ihre Manifeste zeigen …«
»Glauben Sie wirklich, dass, wenn beispielsweise die Elsinore eine Kompanie Söldner an Bord hätte, das im Manifest verzeichnet wäre?«
Sie schaute Harbin befremdet an, sagte aber nichts.
»Was glauben Sie wohl, weshalb dieser Rotbart uns eine Durchsuchung seines Schiffs förmlich aufdrängt?«, fuhr er fort. »Das ist offensichtlich eine Falle. Er muss Soldaten haben, die nur darauf warten, sich auf uns zu stürzen.«
»Das …« Der Erste Offizier hielt inne. »Das ist eher unwahrscheinlich, Sir«, sagte sie dann.
»Ja, völlig unwahrscheinlich«, sagte Harbin und grinste sie schief an. »Sie wären Hannibal ein ebenbürtiger Gegner gewesen.«
»Sir?«
Harbin erhob sich vom Kommandantensitz. »Ich bin für ein paar Minuten in meiner Kabine. Rufen Sie mich fünf Minuten, bevor ihre Zeit um ist.«
»Ja, Sir«, sagte der Erste Offizier.
Harbin wusste, dass etwas nicht stimmte. Wenn die Wirkung der Droge verpufft, müsste ich Entzugserscheinungen spüren, sagte er sich. Aber ich bin nur müde. Schläfrig. Habe ich überhaupt den richtigen Stoff genommen? In diesem Zustand kann ich jedenfalls kein Gefecht leiten.
Er ließ den Medizinschrank aufschnappen und überflog mit trübem Blick die restlichen Ampullen, die ordentlich in den Türborden aufgereiht waren. Vielleicht nehme ich auch zu viel, sagte er sich.
Überdosierung. Aber ich kann jetzt nicht damit aufhören. Nicht bevor ich Fuchs erwischt habe. Ich muss ihn unbedingt erwischen.
Er strich mit den Fingerspitzen über die glatten Plastik-Zylinder der Präparate. Etwas Stärkeres. Nur für die nächste halbe Stunde oder so. Dann kann ich mich entspannen und endlich einmal richtig ausschlafen. Im Moment brauche ich aber etwas Stärkeres. Etwas viel Stärkeres.
Habitat Chrysallis
Yanni Ritsos war der Letzte in einer langen Linie von Rebellen und Dichtern. Der nach einem berühmten griechischen Vorfahren benannte Yanni war in Zypern geboren und erlebte den tödlichen Biokrieg mit, der die ohnehin geschundene Insel heimsuchte, überlebte den radioaktiven Niederschlag durch die nukleare Verwüstung Israels und reiste übers Mittelmeer nach Spanien, wo er wie ein anderer griechischer Künstler seinen Lebensunterhalt verdiente. Anders als El Greco befasste Yanni sich jedoch mit Computersystemen, die Sprachen übersetzten. Er gab sogar etwas von seiner eigenen Dichtkunst in den Computer ein und ließ sie aus dem Griechischen ins Spanische, Deutsche und Englische übersetzen. Aber er war mit den Ergebnissen nicht zufrieden.
Schließlich kam er nach Ceres – nicht als ein Dichter, sondern als eine Felsenratte. Yanni war entschlossen, ein Vermögen im Asteroidengürtel zu machen. Also überredete er einen ihm bekannten griechischen Geschäftsmann, ihm den Flug zum Gürtel zu finanzieren, damit er sein Glück im Bergbau versuchen konnte. Er kam aber nie weiter als bis zum Habitat Chrysallis in der Umlaufbahn um Ceres.
Dort lernte er die schöne Ilona Mikvicius kennen und heiratete sie.
Anstatt nun in einem Bergwerksschiff ins All hinauszufliegen, blieb er bei Ceres und trat eine Stelle im Nachrichtenzentrum des Habitats an.
Obwohl Yanni seit der Exposition gegenüber dem Fallout unfruchtbar – und kahl – war, wünschte er sich doch einen Sohn, um die Familienlinie fortzusetzen. Er und Ilona sparten jeden Penny, den sie erübrigen konnten, um ein Klon-Verfahren zu bezahlen. Ilona wusste, dass das Austragen eines geklonten Fötus gefährlich war; ihre Liebe zu Yanni überwog aber alle Bedenken.
Also hatte Yanni Ritsos eigentlich alles, wofür es sich zu leben lohnte, als Dorik Harbins Schiff am Habitat Chrysallis eintraf. Er hatte vieles erlitten, vieles überlebt und überstanden. Er fand, dass die Zukunft, wenn schon nicht
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