Bova, Ben - Asteroiden-Trilogie 3
vertrieben worden, das er gegründet hatte; und er hatte seine Frau an Martin Humphries verloren.
Big George Ambrose ließ diese traurige Geschichte Revue passieren, während sein Fusionsschiff sich Ceres näherte. Als er vor dem Anlegemanöver seine Hygieneartikel in den Kulturbeutel packte, warf er noch einen Blick auf die Wandbildschirm-Ansicht des Habitats. Chrysallis wuchs. Ein neuer Ring wurde um das alte kreisförmige Ensemble aus Raumschiffen gezogen. Der neue Ring sah schon eher aus wie ein richtiges Habitat: Die Felsenratten hatten nun genug Geld, um in richtige Ingenieursleistung und die gleiche Bauqualität zu investieren, durch die sich die Weltraum-Habitate in der Erde/Mond-Region auszeichneten.
Eines Tages werden wir den alten Schrotthaufen aufgeben, sagte George sich und wunderte sich zugleich über den Anflug von Sentimentalität. Es ist ein gutes Zuhause.
George Ambrose war ein großer, zottelbärtiger rothaariger Australier, der seine Karriere als Ingenieur auf der Mond-Basis begonnen hatte, lang bevor sie die unabhängige Nation Selene geworden war.
Dann hatte er die Stelle in einer Wirtschaftskrise dieser frühen Tage verloren und war ein Flüchtling geworden – eine Unperson, die auf sich allein gestellt im Schattenreich des ›Monduntergrunds‹ überlebte. Schließlich war er Dan Randolph begegnet, der George wieder in die menschliche Gesellschaft integrierte. Als Randolph starb, war George längst eine erfahrene Felsenratte und durchpflügte die dunklen und einsamen Weiten des Gürtels auf der Suche nach Reichtümern. Schließlich wurde er zum Verwaltungschef von Ceres gewählt. Und nun kehrte er von Humphries’ Wintersonnenwend-Feier zurück.
Er hatte den sechstägigen Rückflug in einer Liaison mit dem Triebwerksingenieur des Fusionsschiffs verbracht, einer reizvollen jungen Vietnamesin von außerordentlicher Schönheit, die zwischen leidenschaftlichen Liebesspielen über Fusionsraketensysteme sprach. George war von der unerwarteten Affäre völlig überrascht worden, bis er sich bewusst wurde, dass sie eigentlich eine Stelle auf einem Prospektoren-Schiff wollte – und eine Affäre mit dem Chef der Felsenratten-Gemeinschaft erschien ihr dabei als eine zielführende Maßnahme.
Na schön, sagte George sich, als er seine Reisetasche packte; es hat Spaß gemacht, solange es dauerte. Er sagte ihr, dass er sie ein paar Prospektoren vorstellen würde, die vielleicht einen Triebwerksingenieur brauchten. Trotzdem bereute er nun die Affäre. Ich bin manipuliert worden, sagte er sich. Doch dann grinste er wider Willen verschmitzt. Sie ist aber ziemlich gut im Manipulieren, gestand er ihr zu.
Nachdem er den Reißverschluss der Reisetasche zugezogen hatte, wies George den Bordcomputer an, alle für ihn eingegangenen Nachrichten anzuzeigen. Der Wandbildschirm bildete unverzüglich eine lange Liste ab. Er wusste, dass er in den letzten Tagen seine Pflichten vernachlässigt hatte. Als Chefverwalter ist man Vermittler, Entscheidender und sogar Beichtvater für alle und jeden in diesem abgefuckten Gürtel, sagte er sich grimmig.
Eine Nachricht stammte von Pancho Lane.
Ebenso erstaunt wie neugierig rief George die Botschaft auf. Der Computer bildete jedoch nur kaleidoskopartige bunte Schlieren ab.
Panchos Botschaft war zerhackt. George musste erst den Palmtop zur Hand nehmen und nach dem Decodierungs-Schlüssel suchen.
Schließlich füllte Panchos schmales Gesicht mit dem Pferdegebiss den Bildschirm aus. »Hi, George. Tut mir Leid, dass wir nicht mehr Zeit miteinander verbracht haben, bevor du wieder aufbrechen musstest. Ich möchte dich etwas fragen: Könntest du unter Umständen Kontakt zu Lars herstellen? Ich muss ihn sprechen.«
Der Bildschirm wurde wieder dunkel.
George starrte ihn nachdenklich an und fragte sich: Was bei allen Teufeln der Hölle sollte Pancho wohl mit Lars Fuchs zu besprechen haben?
Höllenkrater
Pancho musste immer grinsen, wenn sie an Pater Maximilian J. Hell dachte, den Jesuiten-Astronomen, nach dem dieser dreißig Kilometer durchmessende Mondkrater benannt worden war. Geschäftstüchtige Promotoren hatten sich diesen Namen zunutze gemacht und ein Vergnügungszentrum im ›Höllenkrater‹ errichtet, in dem es einfach alles gab – bis hin zu Spielkasinos und Etablissements mit der euphemistischen Bezeichnung ›Flitterwochen-Hotels‹.
Die Astro-Corporation war am Bau dieses Vergnügungszentrums beteiligt gewesen und hatte einen satten Gewinn dabei
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