Bradshaw Gillian - Artus 02
Tag wieder in den Norden zu reiten und auf dem Weg dorthin das südliche Deira zu überfallen. Ich suchte nach Elidan.
Bran hatte gesagt, er hätte sie irgendwo eingeschlossen, aber ich wußte, sie mußte in der Stadt sein. Ich streifte im ganzen Palast herum und drohte den Dienstboten, bis eine von ihnen, eine alte Frau, mir sagte, wo sie war. Ich rannte verzweifelt dorthin, ich verlief mich zweimal auf dem Weg, durch meinen Übereifer. Seit ich Bran getötet hatte, war es für mich so gewesen, als ob die ganze Welt krank und blutlos wäre, und ich war gebrochen von meiner Schwäche und meinem kranken Herzen. Ich konnte nur noch an Elidan denken.
Bran hatte sie in einem kleinen Raum über einem der Ställe des Palastes eingeschlossen. Sie wußte nichts von der Schlacht, bis sie mich sah. Die alte Frau im Palast, diejenige, die mir gesagt hatte, wo Elidan war, hatte ihr einmal am Tag Essen gebracht, aber sonst hatte man sie allein gelassen.
Mit einem einzigen Schlag meines Schwertes durchschlug ich den Riegel vor der Tür und brach in das Zimmer ein, ohne erst zu rufen und mich zu versichern, ob sie da wäre.
Sie stand in einer Ecke des kahlen Zimmers, mit dem Rücken gegen die Wand, bereit zu kämpfen. Dann sah sie, daß ich es war. Ihr Gesicht leuchtete auf, als ob das Sonnenlicht durch einen See flutet, und alles wurde zu glänzender Farbe. Sie rief: ›Gawain!‹ und rannte durch den Raum in meine Arme. Ich hielt sie fest, ganz fest, ich küßte ihr Haar und ihren Hals, und etwas von dem schwarzen Schmerz verließ meine Seele.
Aber endlich schob sie sich ein wenig von mir fort und blickte zu mir auf, legte die Hände an meine Schultern und begann, mir Fragen zu stellen. ›Wie kommt es, daß du hier bist?‹ fragte sie. ›Hat es eine Schlacht gegeben? Ist mein Bruder in Sicherheit? Hat er Treue geschworen? Wo ist er, und wo ist der Kaiser?‹
Und ich hatte keine Antworten. Ich versuchte, sie wieder an mich zu ziehen, aber sie stemmte die Hände an meine Schultern und lächelte mich mit leuchtenden Augen an. ›Wann war die Schlacht?‹ fragte sie. ›Mein Bruder hat es herausbekommen, und er war sehr zornig. Deshalb hat er mich hier oben eingeschlossen. Ich bin ohnmächtig geworden, als ich hörte, wie er dich von den Toren abgewiesen hat. Und da hat er es bemerkt… Ist er in Sicherheit?‹
›Was spielt das für eine Rolle?‹ fragte ich.
Sie runzelte die Stirn. ›Er ist mein Bruder. Wie könnte es keine Rolle spielen? Wo ist er?‹
Es gab nichts, was ich sagen konnte. Sie starrte mich an, ihre Augen weiteten sich. ›Er ist doch nicht… verletzt… oder?‹
Ich konnte sie nicht anschauen. ›Er ist tot‹, sagte ich ihr.
›Nein, oh nein! Das kann nicht sein. Du hast es versprochen; er kann nicht tot sein.‹
Da fiel mir ein, daß ich es versprochen hatte, und ich war entsetzt. Ich hatte meinen Schwur gebrochen, und bis zu diesem Augenblick hatte ich noch nicht einmal daran gedacht. Ich wurde wütend auf sie, weil sie mich mit diesem Eid gebunden hatte, und damit, so dachte ich, hatte sie mich meineidig gemacht. ›Solche Versprechen sind bedeutungslos‹, sagte ich. ›Es ist unmöglich, sie in einer Schlacht zu halten. Dein Bruder ist auf mich losgestürzt, um mich zu töten. Was sollte ich tun? Ihm mein Schwert anbieten?‹
›Gawain‹, sagte sie, und irgend etwas in ihrem Tonfall zwang mich, sie anzusehen. Ihre Augen waren sehr groß und dunkel geworden in ihrem Gesicht, einem Gesicht, das bleich und elend wie die ganze Welt aussah. Irgend etwas in mir wand sich, hing verzweifelt am Rand eines inneren Abgrundes. ›Gawain, du hast ihn doch nicht getötet?‹
Eine lange Sekunde blieb ich still. Und dann war ich wütend, verzweifelt. ›Ja, ich habe ihn getötet‹, brüllte ich sie an. ›Und er hat jeden Zoll meines Stahls verdient. Er war ein Verräter und ein Rebell, ein gewalttätiger Mensch, der dich einsperrt, der uns trennt, der mich beleidigt. Ja, und ich habe ihn umgebracht!‹
›Du meineidiger, mörderischer Lügner.‹ Ihre Stimme klang flach und wild und kalt. ›Du… Zauberer. Du bist genau das, was Bran von dir gesagt hat. Oh, mein Bruder. Oh, Bran, Bran…‹ Sie wandte sich von mir ab und ging mit festen Schritten zur Mauer. Sie lehnte ihren Kopf dagegen, preßte eine Hand auf den Mund. Ihre Schultern zuckten unter dem dünnen Kleid. Im Stall unter uns bewegten sich die Pferde in ihren Unterständen, und die Tauben gurrten auf dem Dach. Ich stand in der Mitte des Raumes, und das Licht
Weitere Kostenlose Bücher