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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Braun, Königsblau - wurden durch die paar Tupfer verblaßten Gelbs nicht lebendiger. Schweres englisches Mobiliar aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, mit viel Schnitzwerk, stand auf Klauenfüßen: massive Armsessel, Hocker und Schränke, wie sie für einen Dr. Calgari passend gewesen wären; Anrichten, die aussahen, als wögen sie jede eine halbe Tonne. Auf kleinen Tischen lagen Schmuckdekken aus schwerem Brokat. Einige Stehlampen waren aus Zinn, mit blaßblauen Lampenschirmen, andere hatten dunkelbraune keramische Sockel, aber keine der Lampen spendete viel Licht. Die Vorhänge wirkten schwer wie Blei; und die vom Alter vergilbten Leinenstores zwischen den Seitenvertäfelungen erlaubten nur einem senffarbenen Schimmer des Sonnenlichts Zutritt zum Raum. Nichts von alldem paßte zu der spanischen Architektur; Violet hatte dem eleganten Haus bewußt den Stempel ihres schwerfälligen, schlechten Geschmacks aufgedrückt.
    »Das haben Sie entworfen?« fragte Art Streck.
    »Nein. Meine Tante«, sagte Nora. Sie stand am Marmorkamin, so weit von ihm entfernt, wie das möglich war, ohne den Raum ganz zu verlassen.
    »Das war ihr Haus. Ich... habe es geerbt.«
    »An Ihrer Stelle«, sagte er,  »würde ich das ganze Zeug hier rausschmeißen. Das könnte ein heller, freundlicher Raum sein. Entschuldigen Sie, wenn ich das sage: Aber das hier sind nicht Sie. Das hier wäre vielleicht richtig für irgendeine alte Jungfer ...« das war sie wohl - eine alte Jungfer oder?
    »Jaah, hab' mir's schon gedacht. Für eine vertrocknete alte Jungfer mag das in Ordnung sein, aber ganz bestimmt nicht für eine hübsche Lady wie Sie.« Nora wollte seine Impertinenz tadeln, ihm sagen, er solle gefälligst den Mund halten und den Fernseher richten; aber sie hatte keine Erfahrung darin, wie man sich auf die Hinterbeine stellte. Tante Violet hatte es vorgezogen, sie lammfromm und bescheiden sein zu lassen. Streck lächelte ihr zu. Sein rechter Mundwinkel kräuselte sich auf höchst widerliche Art; es war fast ein Feixen. Sie zwang sich zu sagen:
    »Mir gefällt es ganz gut so.«
    »Wirklich?«
    »Ja.« Er zuckte die Achseln.  »Was ist denn los mit dem Gerät?«
    »Das Bild bleibt nicht stehen. Und dann gibt es atmosphärische Störungen, Flimmern.« Er zog den Fernseher von der Wand weg, schaltete ihn ein und studierte die über den Bildschirm ziehenden, von Störungen zerrissenen Bilder. Er steckte das Kabel einer kleinen tragbaren Arbeitslampe in den Stecker und befestigte die Lampe an der Hinterseite des Geräts. Die Großvateruhr im Gang verkündete die Viertelstunde mit einem Glockenschlag, der hohl durchs Haus hallte.
    »Sehen Sie viel fern?« fragte er, während er die Staubverkleidung abschraubte.
    »Nicht sehr«, sagte Nora.
    »Ich mag die Serien am Abend. Dallas, Denver, alle diese Sachen.«

    »Die seh' ich mir nie an.«
    »So? Ach, jetzt kommen Sie schon, ich wette, Sie tun's doch.« Er lachte verschmitzt.
    »Alle sehen sich die an, selbst wenn sie's nicht zugeben wollen, Es gibt nichts Interessanteres als Geschichten, wo die Leute reingelegt werden und wo alle lügen und stehlen ... und es arg mit Frauen treiben. Sie wissen, was ich meine? Da sitzen die Leute da, sehen sich das Zeug an, schnalzen mit der Zunge und sagen: >Ach, wie schreckliche Aber in Wirklichkeit geht ihnen dabei einer ab. So sind die Menschen eben.«
    »Ich... ich habe in der Küche zu tun«, sagte sie nervös.
    »Rufen Sie mich, wenn Sie das Gerät repariert haben.« Sie verließ den Raum und ging durch die Halle und durch die Schwingtür in die Küche. Sie zitterte. Sie verachtete sich wegen ihrer Schwäche und weil sie so leicht der Furcht nachgab; aber sie konnte nicht anders: Sie war eben eine Maus. Tante Violet hatte oft gesagt:
    »Mädchen, auf der Welt gibt es zwei Arten von Menschen -die Katzen und die Mäuse. Die Katzen gehen, wohin sie wollen, tun, was sie wollen, nehmen sich, was sie wollen, Katzen sind von Natur aggressiv und nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Mäuse andererseits haben keinen Funken Aggressivität in sich. Sie sind von Natur verletzlich, sanft und furchtsam und dann am glücklichsten, wenn sie den Kopf einziehen und das annehmen können, was das Leben ihnen gibt. Du bist eine Maus, meine Liebe. Maus zu sein ist nichts Schlechtes. Man kann damit vollkommen glücklich sein. Eine Maus hat vielleicht kein so farbiges Leben wie eine Katze, aber wenn sie im sicheren Bau bleibt und sich selbst genügt, wird sie länger leben als die

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