Brandzeichen
Militärprojekts, an dem er bei Banodyne arbeitete. Als Haines schwor, daß es jetzt nichts mehr zu sagen gäbe, bereitete Vince das Natrium-Pentothal vor. Als er die Injektionsspritze aufzog, sagte er im Gesprächston:
»Doktor, wie ist das eigentlich mit Ihnen und den Frauen?«
Haines, der mit den Armen am Körper im Moos lag, genau so, wie Vince es ihm befohlen hatte, schaffte es nicht, sich auf den plötzlichen Themawechsel einzustellen. In Verwirrung kamen seine Lider in rasche Bewegung.
»Ich verfolge Sie jetzt seit dem Mittagessen und weiß, daß Sie in Acapulco drei davon an der Leine haben ...«
»Vier«, sagte Haines, und trotz des Schreckens, der ihm im Magen saß, kam dabei ein Hauch von Stolz zum Vorschein.
»Dieser Mercedes, den ich fahre, gehört Giselle, der süßesten Kleinen...«
»Sie benutzen den Wagen einer Frau, um sie mit drei anderen zu betrügen?« Haines nickte, versuchte ein Lächeln, zuckte aber zusammen, als neue Schmerzwellen durch seine eingedroschene Nase jagten.
»Das war immer... meine Methode bei den Ladys.«
»Um Himmels willen!« Vince war erschüttert.
»Ist Ihnen nicht klar, daß wir nicht mehr die sechziger oder siebziger Jahre haben? Die freie Liebe ist tot. Die hat jetzt einen hohen Preis, einen sehr hohen. Haben Sie noch nichts von Herpes oder AIDS und all dem Zeug gehört?« Während er ihm die Spritze mit dem Pentothal verabreichte, sagte er:
»Sie haben bestimmt jede Geschlechtskrankheit, die der Mensch kennt.« Haines blinzelte ihn blöde an, wirkte zuerst verblüfft und sank dann in tiefen Pentothal schlaf. Unter dem Einfluß der Droge bestätigte er Vince alles, was er ihm bereits über Banodyne und das Francis-Projekt gesagt hatte. Als die Wirkung des Mittels nachließ, schloß Vince den Taser an, nur so, zum Spaß, bis die Batterien verbraucht waren. Der Wissenschaftler zuckte und schlug aus wie ein halbzerdrückter Wasserkäfer und wühlte Absätze, Kopf und Hände tief ins Moos. Als der Taser nicht mehr zu gebrauchen war, schlug Vince Haines mit dem Totschläger bewußtlos und tötete ihn dann, indem er den Korkenzieher zwischen zwei Rippen ansetzte und schräg in das schlagende Herz bohrte. Ssssnappp. Grabesstille hing über dem Regenwald, und doch fühlte Vince, wie tausend Augen ihn beobachteten, die Augen wilder Geschöpfe. Und er glaubte, daß die verborgenen Beobachter billigten, was er Haines angetan hatte, weil die Art und Weise, wie der Wissenschaftler lebte, ihn zu einer Beleidigung für die natürliche Ordnung der Dinge machten - jener natürlichen Ordnung, der alle Geschöpfe des Dschungels gehorchten. Er sagte
»Danke!« zu Haines, küßte den Mann aber nicht, weder auf den Mund noch auf die Stirn. Haines' Lebensenergie war ebenso belebend und willkommen wie die irgendeines anderen Opfers, aber sein Körper und sein Geist waren unrein.
Nora ging vom Park auf dem kürzesten Wege nach Hause. Die Abenteuerstimmung und das Gefühl der Freiheit, die den Morgen und den frühen Nachmittag in bunte Farben getaucht hatten, ließen sich nicht wieder einfangen. Streck hatte den Tag beschmutzt. Nachdem sie die Haustür hinter sich zugemacht hatte, versperrte sie das gewöhnliche Schloß, schob den Riegel vor und hängte die Sicherheitskette ein. Dann ging sie durch die Zimmer im Erdgeschoß und zog an sämtlichen Fenstern die Gardinen zu, damit Arthur Streck, falls er kommen und um das Haus streichen sollte, nicht hereinsehen könne. Aber die Dunkelheit, die dadurch entstand, war ihr unerträglich, deshalb schaltete sie in jedem Zimmer jede Lampe ein. In der Küche ließ sie die Jalousien herunter und überprüfte auch das Schloß an der hinteren Tür. Ihre Begegnung mit Streck hatte sie nicht nur in Schrecken versetzt, sondern in ihr auch das Gefühl hinterlassen, schmutzig zu sein. Sie wünschte sich jetzt mehr als alles andere eine lange, heiße Dusche. Aber ihre Beine waren plötzlich zitterig und schwach, und ein Schwindelanfall überkam sie. Sie mußte sich am Küchentisch festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wenn sie jetzt versuchte, die Treppe ins Obergeschoß hinaufzugehen, würde sie fallen, das wußte sie; also setzte sie sich, verschränkte die Arme auf dem Tisch, legte den Kopf darauf und wartete, bis sie sich besser fühlte.
Als der ärgste Schwindel vorüber war, erinnerte sie sich an die Flasche Cognac in der Anrichte neben dem Kühlschrank und fand, daß ein Schluck davon ihr jetzt guttun würde. Sie hatte den Cognac,
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