Breathe - Gefangen unter Glas: Roman (German Edition)
verstehen«, beschwert sie sich und deutet auf den Bildschirm. Wir schauen hoch. Wieder ein Bericht über die Terroristen.Jemand wurde gefasst, der das Luftrecyclingsystem sabotieren wollte. Das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Die Kuppel ohne Sauerstoff. Wir wären darin gefangen und würden elendig ersticken. Gänsehaut überläuft mich.
»Der mutmaßliche Terrorist Abel Boone«, sagt der Nachrichtensprecher, »ein Mitglied der Terrorzelle ›Rebellenarmee‹, wurde heute tot aufgefunden. Boone ist vermutlich bei dem Versuch erstickt, eine Verbindungsröhre zwischen der Luftrecyclinganlage Ost und der Kuppel zu beschädigen. In den nächsten Tagen ist mit Festnahmen weiterer Mitglieder der Zelle zu rechnen. Der Präsident ruft die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren.«
Jetzt wird der Präsident eingeblendet, mit einer Journalistin an seiner Seite: »Glücklicherweise konnten wir eine Tragödie verhindern. Wir danken den Aufsehern für ihre Wachsamkeit und Entschlossenheit. Wir arbeiten rund um die Uhr daran, die Sicherheit in der Kuppel auch weiterhin zu gewährleisten. Wir werden nicht zulassen, dass blindwütige Akte des Terrorismus gegen Zehntausende unschuldiger Menschen unbestraft bleiben. Ich fordere alle Mitbürger auf, wachsam zu bleiben.«
»Und Ihre Botschaft an die Terroristen, Herr Präsident?«
»Den Terroristen sage ich: Lauft. Lauft, so schnell ihr könnt.« Er blickt in die Kamera und grinst über seinen Witz, weil ein laufender Bürger ein verhafteter Bürger ist, wenn es sich nicht gerade um einen joggenden Premiummit Sauerstoffflasche handelt. Auch die Journalistin lacht und die Frau vor uns ebenfalls. Aber ich lache nicht. Ich finde den Witz blöd.
Bevor der unvermeidliche Werbeblock beginnt, wird der Bildschirm dunkel.
Als wir unsere Haltestelle erreichen, bleibt Quinn auf seinem Sitz hocken. »Bist du sicher, dass wir nicht lieber zum Institut fahren und mit Professor Felling reden sollen?«, fragt er.
»Ja, bin ich.« Absolut sinnlos, mit irgendjemandem zu sprechen: Wenn solche Entscheidungen einmal getroffen sind, werden sie nicht mehr umgestoßen. Also steigen wir aus und gehen zum Campingladen, wo wir ein hellblaues Zelt und zwei extrawarme Schlafsäcke für unsere Tour kaufen. Außerdem besteht Quinn noch darauf, dass ich mir in der Premium-Damen-Abteilung Stiefel, einen Mantel, Mütze, Schal und Handschuhe aussuche. Als er schließlich bezahlt und die einfältig lächelnde Verkäuferin die Kreditkarte seines Vaters durchzieht, muss ich meinen Blick abwenden.
»Beim Gedanken, die Kuppel zu verlassen, wird mir ganz anders. Hätte ich nicht gedacht«, sage ich etwas kleinlaut auf dem Rückweg zur Haltestelle. »Keine Luft? Puh, was für ’ne merkwürdige Vorstellung.«
»Ach, mach dir keinen Kopf. Und überhaupt: Jetzt, mit all diesen Terrorakten, sind wir vielleicht draußen besser aufgehoben als drinnen. Und wenn wir schon ersticken müssen, ist es zusammen doch lustiger, oder?« Er zwickt mich leicht, versucht, meine Angst wegzuwitzeln.Er weiß eben nicht, dass ich am Ende wirklich mit ihm zusammen sein möchte. Ich meine, ganz am Ende. Dass ich lieber mit ihm zusammen draußen sterben würde als mit irgendjemand anderem in der Kuppel.
Quinn
»Oh, mein kluger Junge!« Meine Mutter stürmt auf mich zu und herzt mich, kaum dass ich in der Haustür stehe. Peinlich berührt winde ich mich aus ihrer Umarmung.
Ich bringe ein Hallo heraus, und da kommt auch schon mein Vater an und klopft mir auf den Rücken.
»Da bin ich«, sage ich, wobei mir klar ist, dass ihr plötzliches Interesse an mir wohl kaum auf mein Nachhausekommen zurückzuführen ist.
Im Wohnzimmer sehe ich dann, was los ist: Da steht der Präsident, Cain Knavery, höchstpersönlich, eine Hand auf dem Rücken, in der anderen ein Glas mit irgendwas. Während des Interviews auf dem Straßenbahnbildschirm hatte er ernst und entschieden ausgesehen. Nun wirkt er überaus heiter. Oder besser gesagt: angeheitert. Er steht neben dem Kamin, wo meine Eltern das alte Ölgemälde abgehängt und durch ein Porträt des Präsidenten ersetzt haben. Jetzt sieht es so aus, als stünde Cain Knavery neben sich selbst. So ist es immer, wenn er zu Besuch kommt: Meine Eltern tauschen das Bild aus – und ihre Persönlichkeit noch dazu.
»Ha! Da ist er ja, der junge Mann!« Der Präsident streckt mir eine haarige Hand mit mindestens einem Goldring pro Finger entgegen. »Nun, Caffrey junior, gratuliere! Du machst deinen Eltern ja
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