Brennende Sehnsucht
mit Zeit und Mühe konnte er seinem Bruder beweisen, dass er bereit war, eine Pflicht zu übernehmen.
Und die Pflicht, die er wollte, war Brookhaven.
Als er jetzt innehielt, um mit einem seiner ehrbareren Bekannten zu sprechen, zuckte Rafe unwillkürlich mit den Schultern. Während der letzten Minuten hatte er das unheimliche Gefühl gehabt, dass er beobachtet wurde.
Phoebes einzige Gouvernante, die nur wenige Wochen ihren Dienst versehen hatte, hatte ihr einst prophezeit, dass sie im Leben höchstens Pech hätte, nie aber Glück.
Ihr Pech lief an diesem Abend auf Hochtouren, denn gerade als sie beschlossen hatte, dass sie mit dem Träger jenes
männlichen, muskulösen Hinterteils den Rest ihres Lebens verbringen wollte, fing alles an, schrecklich aus dem Ruder zu laufen.
Er hob das Kinn, während seine freundlichen braunen Augen den Raum absuchten, doch mit einem Mal war sein Blick nicht mehr freundlich, als er ihr direkt in die Augen sah.
Etwas traf Phoebe in der Nähe ihres Herzens – und ein wenig tiefer. Eine machtvolle und erschütternde Anziehung, die weit über ein einfaches Interesse an seiner Anatomie hinausging. Sie fühlte sich so stark getroffen, dass sie kaum noch Luft bekam.
Ein Blitzschlag!
Dann bemerkte sie die Katastrophe: Er hatte gemerkt, dass sie ihn anstierte.
Verdammter Mist! Ohne einen klaren Gedanken zu fassen, rannte Phoebe davon und landete direkt in einem Diener, der ein Tablett voller Champagnerflöten balancierte. Der heftige Zusammenstoß schleuderte den armen Mann, sein Tablett und alles, was darauf gestanden hatte, direkt in die sich drehenden Tänzer hinter ihm.
Sofort war der Teufel los. Entsetzte Damen kreischten, verärgerte Lords fluchten, amüsierte Musiker verkniffen sich ein Lächeln. Schließlich fingen alle an, nach dem Sündenbock Ausschau zu halten.
Es war ihr schrecklichster Albtraum, der hier gerade wahr wurde. Phoebe machte sich auf das Schlimmste gefasst.
Rafe konnte es kaum fassen. Der arme Diener hatte keine Chance gegen das gut gebaute Geschoss gehabt, das auf ihn abgefeuert worden war. Weit und breit lagen Glasscherben und tropfte Champagner, während das Mädchen inmitten des halbkreisförmigen Chaos stand.
Verdammt!
Er stürzte sich ins Kampfgetümmel, ergriff das Mädchen bei der Hand und tanzte mit ihr in die Formation des schottischen Reel, als wären sie beide gerade zufällig vorbeigekommen.
Sie rang nach Atem, als er sie derart fest anfasste. »Sir, was tut Ihr da?«
Er schaute unbeeindruckt nach vorn, führte sie hin und her. »Oh, wolltet Ihr etwa stehen bleiben und zusehen, wie sich die Dinge entwickeln?«
Sie linste über ihre Schulter, erbleichte erkennbar, als sie das Chaos erblickte, und wandte resolut den Blick ab. »Gut, aber... wir wurden einander nicht vorgestellt.«
»Ich werde es niemandem verraten, wenn Ihr es nicht tut.« Die letzten Takte des Reel verklangen, und sie standen auf der anderen Seite des Ballsaals, weit weg von dem Unglück. Ein Walzer setzte ein. Er grinste auf sie herab, denn sie tanzte jetzt ernsthaft und führte ihn so schnell wie möglich woandershin. »Versäumen wir irgendetwas, dass wir uns so beeilen müssen?«
Sie warf ihm einen kläglichen Blick zu. »Meine Tante Tessa!«
Rafe blickte sich um und sah eine außerordentlich elegante Dame mit einer außerordentlich genervten Miene, die den Ballsaal mit scharfen Blicken durchkämmte. Mist! Nicht die berüchtigte Lady Tessa! »Wollt Ihr ein wenig frische Luft schnappen?«, fragte er beiläufig.
Vor Dankbarkeit schmolz Phoebe schier dahin. Er war ein Gott und ein Held. »Ich hätte nichts dagegen«, sagte sie mit der Unbekümmertheit einer Frau, die gerade dem Exekutionskommando entkommen war.
Er tanzte mit ihr zur Terrassentür und schnappte sich dabei mit einer Hand zwei gefüllte Gläser von einem Tablett, das von einem Lakaien gehalten wurde. Der Mann verneigte
sich nur mit einem schiefen Grinsen. Sonderpunkte für Stil war in seinem Gesicht zu lesen.
Sonderpunkte für absolute männliche Perfektion, sagte Phoebes Herz.
Sie streckte eine Hand aus und öffnete die Tür, und sie tanzten hindurch, ohne auch nur einen Moment innezuhalten. Drei Stufen führten von der Tür zur Terrasse hinunter. Er schlang einen Arm fest um ihre Taille, hob sie hoch und wirbelte mit ihr die Stufen hinunter, ohne einen einzigen Champagnertropfen zu vergießen.
Es war eine gewagte, unverschämte Tat. Phoebe lachte laut auf, denn sie war so sehr überrascht, dass
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