Briefe an eine Freundin
begünstigt. Bloß einzelne heitere und sonnige Tage, sonst meistenteils Sturm und Regen. Kam ein schöner Tag, so war er gleich von so schwüler Hitze und so stechender Sonne, daß sich ein Gewitter zusammenzog und wieder Kühle und Regen herbeiführte. In London, Paris und Deutschland war dasselbe unerfreuliche Wetter. Indes ist das nun vorüber, und meine Wünsche gehen nur dahin, daß es besser mit dem Wetter während des Gasteiner Badeaufenthalts sei. In der Mitte hoher Gebirge und auf einem so hohen Standpunkte, wo das Haus, in dem man wohnt, wenigstens so hoch als der Gipfel des Brocken liegt, sind milde Sonne und liebliche warme Luft mehr als bloß angenehme Zugaben zum Dasein. Unsere Überfahrt von London nach Calais war wieder sehr glücklich, nur ging die See sehr hoch, und so machte das Schwanken des Schiffs viele Kranke. Ich litt keinen Augenblick, sondern ergötzte mich eher am Schaukeln. In Paris verlebte ich noch eine sehr angenehme Woche. Ich würde recht gern einmal ein ganzes Jahr dort zubringen, und da meine Frau den Aufenthalt dort auch liebt, so richte ich es vielleicht
einmal so ein. Der Weg durch das südliche Deutschland über Straßburg ist sehr schön und bequem, und wenn wir fortfahren, Gastein zu besuchen, so ließe es sich sehr gut machen, nach dem geendigten Badeaufenthalte eines Jahres nach Paris zu gehen und zu dem des folgenden Jahres von da zurückzukehren. Doch kommt zwischen solche Pläne leicht vieles – und so ist es bis jetzt mehr Idee als Plan. In Straßburg ist eine sehr hübsche Mischung von französischer und deutscher Art. Die Natur ist deutsch in Gegend und Menschen. Das wird man gewahr, wie man den Elsaß von dem schönen Bergrücken von Zabern übersieht. Es ist einer der schönsten Anblicke, die man haben kann. Lieblich geformte Hügel und Berge, schön mit Gebüsch und Wald bekränzt, und auf den Gipfeln mehrere Gemäuer alter Burgen, ganz wie man sie so oft in Deutschland sieht, wie sie aber Frankreich gänzlich fremd sind. Die Physiognomien bieten auch ganz deutsche Gesichtszüge dar, und ebenso ist auch das Benehmen der Menschen im ganzen. Damit ist nun das französische Wesen verbunden und gleichsam darauf gepfropft. Ich finde diese Mischung interessant und angenehm zugleich. Von einer anderen Seite betrachtet, könnte man auch vielleicht anders darüber urteilen, und gerade über die Vermischung das Verdammungsurteil aussprechen. Denn es ist freilich nun weder echte Deutschheit, noch wahres französisches Wesen in ihnen. Das fühlt sich am meisten in
der Sprache. Sie sind wohl aus dem einen heraus, aber nicht völlig ins andere hinein gekommen. Nach dem Elsaß und wohl noch mehr ist Schwaben ein liebliches Land, in den Gegenden wie den Menschen. Wenn die Schwaben wie zu einem Sprichwort in Deutschland geworden sind, so ist das einer Art Naivetät zuzuschreiben, die der spöttisch Urteilende leicht von einer lächerlichen Seite als Einfalt darstellen kann. Mehr und bös ist's auch wohl mit dem Spottnamen nicht gemeint. An sich sind die Schwaben vielleicht die lebhafteste, leicht beweglichste und phantasiereichste unter den deutschen Völkerschaften.
Es freut mich, daß Sie sich fortwährend gern mit dem Sternenhimmel beschäftigen, wie ich es beklage, daß mein Auge nicht mehr dafür ausreicht. Ich gebe sehr ungern einen Genuß auf, der mich so oft gestärkt und erhoben hat, und eines Glases bediene ich mich nicht gern. Schreiben Sie mir, liebe Charlotte, den 2. September nach Bad Gastein über Salzburg, nachher nach Berlin.
Leben Sie recht wohl, mit dem lebhaftesten Anteil der Ihrige. H.
Bad Gastein
, den 14. September.
E in einfach ruhig zufriedenes Stilleben, wie Sie es genießen und sich nach Ihrer Neigung geschaffen haben, ist eigentlich das Höchste, was der Mensch besitzen kann. Es
ist meiner innersten Empfindung nach nicht nur dem nach außenhin mannigfach bewegten Leben vorzuziehen, sondern auch wirklicher innerer, aber nur augenblicklich erscheinender Freude wenigstens gleichzusetzen. Die Stille und Ruhe gönnen dem inneren Sein eine tiefere Macht und ein freieres Walten, und es ist immer, meiner aus langer Erfahrung geschöpften Überzeugung nach, besser, wenn das Innere nach außen, als wenn umgekehrt das Äußere nach innen strömt. Es scheint zwar wohl, als könnte sich das Innere nur von außenher bereichern und befruchten; allein dies ist ein trügerischer Schein. Was nicht im Menschen ist, kommt auch nicht von außen in ihn
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