Briefe an eine Freundin
Gestirne und die Tierkreiszeichen, so ist es dann leicht, sich für die noch übrigen Gestirne zurechtzufinden. Denn nun macht man sich mit denen bekannt, die zwischen dem Tierkreis und den nie untergehenden Gestirnen, und dann mit denen, die zwischen dem Tierkreis und dem südlichen Horizont auf- und untergehen. Bodes Anleitung zur Kenntnis des gestirnten Himmels hat das Angenehme, daß sie Karten
für jeden Monat enthält, auf denen man natürlich die Sterne leichter findet, da jede Karte genau so ist, als der Himmel zu einer dabei angegebenen Stunde an dem Tage, oder wenigstens in dem Monat gerade ist.
Sie sagen sehr richtig, daß das Betrachten des gestirnten Himmels von der Erde abzieht und die Seele mit höheren Ahnungen, Sehnen und Hoffen erfülle, tröste und erhebe. Das tut es im höchsten Grade. Wenn man diese unendliche, unzählige Menge von Gestirnen betrachtet und bedenkt, so scheint es zwar ein ordentlich schaudernder Gedanke, daß eine so ungeheure Menge im Weltall herumschwimmt. Der Mensch fühlt sich darin gleichsam wie erdrückt. Allein die Ordnung und Harmonie, in denen alle Bewegungen vor sich gehen und alle Zeiten hindurch vor sich gegangen sind, ist ein wohltätiges, tröstendes Zeichen einer höheren Macht, einer geistigen Herrschaft, die wieder beruhigt und die Besorgnis tröstend aufhebt. Mit unveränderlicher Teilnahme Ihr H.
Berlin
, den 16. November 1828.
S ie klagen auch darüber, liebe Charlotte, daß es oft ist, als könne man im Schreiben garnicht fort; Augen, Hand und Feder sind wie im Bündnis gegen alles Gelingen der Handschrift. Man gibt sich Mühe, nimmt sich vor, recht langsam zu schreiben,
damit es nur deutlich werde, aber alle Vorsätze scheitern, und es ist närrisch, daß man dann immer kleiner und kleiner schreibt. Mir geht es oft so, als ob ich gar keine großen Buchstaben machen könnte, und ich denke dann, wieviel Nachsicht Sie und alle haben müssen, die mich lesen wollen. Wirklich war Ihr letzter Brief auch weniger hübsch und gut, als Sie sonst tun, geschrieben. Die Handschrift war nicht undeutlich, aber man sah ihr die Beschwerde an.
Aber mit mehr Bedauern habe ich gesehen, daß Sie sehr bekümmert und sorgenvoll waren. In solchen Gemütszuständen, liebe Freundin, muß man immer die äußeren Veranlassungen scheiden von der inneren Anlage des Gemüts zu Heiterkeit und Ruhe, oder zu Besorgnis und Schmerz. Das Innere ist immer das Mächtigste. Auch wahres, selbst erschütterndes Unglück wird leichter und schwerer aufgenommen, je nachdem die Seele schon von lichteren und düsteren Ideen erfüllt ist. Bei Ihnen scheint mir das gerade jetzt noch mehr der Fall, und da bitte ich Sie inständig, dem entgegen zu arbeiten. Ich rechne es schon zu diesen dunklen Stimmungen, daß Sie, ohne doch krank zu sein, bald zu sterben glauben. Sie sagen zwar, und gewiß mit voller Wahrheit, daß Ihnen gerade die Todesgedanken freudige und Ihrer Neigung zusagende sind, und niemand kann dies besser begreifen als ich. Ich habe nie die mindeste Furcht vor dem Tode gehabt, er wäre mir in
jedem Augenblick willkommen. Ich sehe ihn als das an, was er ist, die natürliche Entwickelung des Lebens, einen der Punkte, wo das unter gewissen endlichen Bedingungen geläuterte und schon gehobene menschliche Dasein in andere, befriedigendere und erhellendere gelangen soll. Was menschlich ist, in dem Ausbildungsgange des Lebens liegt, was alle Menschen miteinander teilen, das kann der irgend Weise nicht fürchten, er muß es vielmehr begünstigen und lieben, gleichsam mit Wißbegierde, so lange die Besinnung ihm beiwohnt, auf den Übergang achten, versuchen, wie lange er das fliehende Hier noch zu halten vermag. Ich hörte bisweilen sagen, der Tod müsse gewiß von einem wohltätigen und angenehmen Gefühl begleitet sein, und das ist mir selbst, wenn auch manchmal das Gegenteil stattzufinden scheint, glaublich. Die Schmerzen pflegen zu weichen, alle Unruhe sich zu legen, und fast immer haben Tote, ehe die Züge entstellt und verzogen werden, etwas Ruhiges, Friedliches, selbst oft etwas Erhebendes und Verklärtes. Bei alledem muß man es doch eine düstere Gemütsstimmung nennen, wenn man sich dem Tode nahe glaubt. Der Tod ist immer ein Ausscheiden aus aller bekannten Heimat, ein Gehen ins Neue und Fremde. So trafen äußere unerwünschte Umstände schon bei Ihnen auf ein wenigstens sehr ernst bewegtes Gemüt. Suchen Sie, teure Charlotte, denn auch hier da die Heilmittel,
wo Sie sie schon
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