Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen
hatte endlich die erste Flasche geöffnet und sich sofort einen eingeschenkt. Sie nahm ein paar Schlucke, griff dann nach der nächsten zu öffnenden Flasche und sagte: »Trick? Ich hab dir doch erklärt, was ich bin. Ich arbeite ohne Tricks! Und der da (sie deutete auf Herrn Rudi, der nun neben dem gänzlich zernagten Bäumchen in tiefe Apathie versunken schien) ist ja auch kein Trick. Glaub mir einfach!«
Dies schien der Moment, um mich einzumischen: »Es ist so, wie sie sagt. Deswegen habe ich ja auch extra für dic h … das Weihnachtsmen ü … das wartet immer noch in der Küche. Wollen wir nicht gemeinsam einen Happe n …«
»Haltstopp!«, rief meine Angebetete, »soll das heißen, dass d u …«
Sie stand auf, holte sich ein Wasserglas aus der Küche, schenkte sich selbst einen gewaltigen Roten ein, setzte sich wieder neben die Fee auf das Sofa und schien nicht mehr zu spüren, wie hart es war. Sie trank nur und starrte die Fee an. Und atmete tiefer als jeder Rote.
Was macht man mit einem Heiligen Abend, an dem einen erst eine Fee plus Rentier aufsucht, man einen Wunsch äußert und der Wunsch dann nur zur Hälfte erfüllt wird? Sicher, es war ein Wunder, dass Bernadette überhaupt erschienen war. Aber der Rest, der ließ doch sehr auf sich warten! Kann man da irgend jemanden regresspflichtig machen? Sich irgendwo beschweren? Nach dem Motto: »Ihr Mitarbeiter XY hat zwa r …, abe r …«?
Hatte der Himmel ein Servicetelefon? Wenn es in diesem märchenhaften Paralleluniversum derart spröde zuging, mit so harten Hierarchien wie im Krankenhaus und einer Penibilität wie auf einem Finanzamt, dann gab es dort doch auch garantiert so etwas wie ein Beschwerdetelefon. Oder Ombudsmänner.
Ich fühlte mich irgendwie geprellt.
Die beiden Frauen saßen nu n – einander zuprosten d – auf meinem Sofa, während ich etwa genau so nutzlos in der Gegend herumstand wie Herr Rudi.
Bernadette! Sprich mit MIR! Mach es nicht so spannend! ICH bin hier dein Gesprächspartner! Mit MIR soll es weitergehen! Sag ein paar erlösende Worte, und ich werde mich mit dir und deinem Reisepass auf den Weg machen, egal, wohin! Zum Beispiel Kalifornien! Du wolltest doch immer mal nach Kalifornien! Wenn du das noch immer willst: Hier stehe ich! Bereit zu jedem Scheiß, also auch zu Kalifornien!
Aber ich würde den furchtbaren Eindruck nicht los, dass dieses weihnachtliche Damenprogramm noch lange nicht überstanden war.
Die Fee wütete weiter gegen die Märchenhierarchie. Und Bernadette lauschte weiterhin gebannt den Ausführungen. Und stellte Fragen: Was denn der Unterschied zwischen Weihnachtsmann und Nikolaus sei? Und ob der Nikolaus nicht nur für den 6.12. zuständig sei?
»Das sind eineiige Zwillinge, der Nikolaus und der Weihnachtsmann. Aber der Weihnachtsmann ist zwei Minuten älter und mehr der Kerl für’s Repräsentative, während der Nikolaus eine Art Technischer Direktor ist. Dieser Blödmann hat nicht nur seinen 6.12., er ist auch für alle technischen Abläufe verantwortlich. Zum Beispiel: Welche Fee beackert mit welchem Rentier welchen Stadtteil.« Nun wurde die Fee stetig lauter: »Oder: Welche Fee hat sich wo was zuschulden kommen lassen? Und wie sieht die Bestrafung dieser Fee aus? Oder: Welche Fee hat eine Beförderung zur Oberfee verdient?«
Nachdem sich die Fee erst in Rage geredet und dann ein wenig beruhigt hatte, war jetzt meine Bernadette wieder an der Reihe mit der Rage.
Sie begann erneut, wenig Schmeichelhaftes über mich zu erzählen. Zu ihrem Geburtstag hätte ich ihr noch nicht mal Blumen geschenkt. (Ich Blödmann hatte geglaubt, dass emanzipierte Frauen es als Affront empfänden, wenn man ihnen Blumen schenkt! Als hätten wir noch die fünfziger Jahre, wo Mutti mit Schürze am Herd und das Essen schon auf dem Tisch steht, wenn man nach Hause kommt. Und wo der Mann bemängelt, dass der Kaffee kein Melitta-Filterkaffee ist! So kann man sich irren!) Oder: Wann immer wir mal kurzfristig getrennt waren, dann hätte sie so gerne lange, romantische Telefonate mit mir geführt. Aber Pustekuchen! Ich hätte sie immer schnell wieder abgehängt! (Womit Bernadette auch recht hatte: Für mich dient so ein Telefon nur der raschen Übermittlung von Informationen. Und nicht etwa dem Austausch süßer Flötentöne.)
Die beiden Frauen schienen sich von Minute zu Minute tiefer in einer Art Solidarität zu verstricken. Bernadette befragte nun die Fee ausgiebig über ihre Arbeit. (Wenigstens hatte sie damit
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