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Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)

Titel: Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett McBean
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Ein schöner Ort
    (The Beautiful Place)
    Es sah aus, als wäre seit Monaten niemand da gewesen, um das Schild auf Vordermann zu bringen, das neben dem Highway aufgestellt war.
    Simon Fletcher setzte den Seesack auf der rotbraunen Erde ab und ließ seinen Ranzen daneben plumpsen. Er hob einen Arm und wischte mit seiner trockenen, lederigen Hand den Dreck von dem Schild. Als er die Schrift freigelegt hatte, warf er einen Blick auf den großen Sack zu seinen Füßen. »Die Richtung stimmt«, murmelte er und spuckte einen staubumhüllten Schleimklumpen aus. »Coober Pedy, 20 Kilometer.«
    Simon schaute den breiten, staubigen Highway hinauf und hinunter. Leer.
    Gott sei Dank.
    Er kehrte dem Highway den Rücken zu, öffnete seinen Rucksack, holte eine der Flaschen heraus und schraubte den Deckel ab. Kleine Erdklumpen rieselten zu Boden, aber er schenkte der trüben Farbe des Wassers keine Beachtung und trank einen Schluck.
    Die Flasche war einst sauber gewesen, das Wasser klar und kühl. Nun waren alle zehn Flaschen mit dem Dreck des Landes besudelt, mit dem Schweiß seiner Reise und dem Blut der Toten.
    Obwohl die Flasche noch halb voll war, schraubte Simon den Deckel wieder zu und verstaute sie zusammen mit den anderen Flaschen, verschiedenen Konserven und dem einen, ganz speziellen Gegenstand, den er erst in Coober Pedy brauchen würde, im Rucksack. Er zog den Reißverschluss zu und hievte den Tornister auf seinen Rücken.
    Simon zog das Tuch aus der linken Tasche seiner Armeeshorts, wischte sich Gesicht und Nacken ab und steckte den feucht gewordenen Stoff zurück.
    »Okay, Zeit zu gehen«, erklärte er, hob den Sack auf und warf ihn sich wie ein abgehalfterter Weihnachtsmann über die Schulter.
    Simon wusste, dass der kürzeste Weg nach Coober Pedy geradeaus über den Stuart Highway führte, aber er wusste auch, wie die verdammten Hurensöhne in dieser Gegend fuhren. Bislang hatte er überlebt, indem er sich von Hauptverkehrsstraßen fernhielt.
    Er setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen, wie er es bereits in den vergangenen sechs Monaten ungezählte Male getan hatte, und machte sich auf die letzte Etappe seiner Reise.
    Eine Reise, die fast am anderen Ende des Kontinents in Townsville begonnen hatte, wo er zusammen mit seiner Frau Tully in einer Wohnung im Herzen der Stadt gelebt hatte. Mittlerweile konnte er sich kaum noch an Einzelheiten ihrer Wohnung erinnern. Er wusste nur noch, dass sie schön und modern eingerichtet gewesen war und Tully und er sich dort sehr glücklich gefühlt hatten.
    Glücklich. Er konnte sich inzwischen auch kaum noch daran erinnern, wie sich das eigentlich anfühlte.
    Aber er war sicher, dass er bald wieder glücklich sein würde. Sobald er erledigt hatte, weshalb er zu dieser Reise aufgebrochen war, würde sein Leben wieder ein bisschen wie früher sein. So wie vor dem Beginn der Neuen Welt.
    Er war im Krankenhaus gewesen, seinem zweiten Zuhause, als ihn die ersten Berichte aus Amerika erreicht hatten. Meldungen von Massenmorden, Chaos und – unfassbar – Toten, die wiederauferstanden. Anfangs hatte er es nicht glauben wollen, aber während sich in den kommenden Tagen das Virus immer weiter auf der Welt ausbreitete, wich seine Ungläubigkeit nackter Verzweiflung. Schon bald meldeten die Nachrichten, dass es auch in Australien passierte. Jeder, egal ob Arzt, Lehrer oder Wissenschaftler, stellte Theorien zu möglichen Ursachen auf, aber keiner von ihnen hatte eine stichhaltige Antwort parat – Simon am allerwenigsten. Er erinnerte sich allerdings an ein Zitat aus einem Horrorfilm, den er als Teenager gesehen hatte, irgendetwas darüber, dass die Toten über die Erde wandern würden, wenn in der Hölle kein Platz mehr war. Seiner Meinung nach war das eine ebenso gute Erklärung für das, was passierte, wie jede andere auch.
    »Mein Gott, es ist überall«, hatte der junge Mann im Bett neben Tully eines Nachmittags bemerkt. Dann hatte er Blut gehustet und war gestorben und über seinen Herzmonitor war nur noch eine flache Linie geflimmert.
    Simon dachte noch über die Bemerkung des Mannes nach, als dieser ein paar Minuten später seine Augen öffnete und sich aus dem Bett auf ihn stürzte.
    Glücklicherweise hatte Tully geschlafen.
    Denn was dann passierte, war nicht nur schlichtweg grauenvoll, sondern rückblickend auch ein denkwürdiger Augenblick gewesen: Simon hatte sich die Schere geschnappt, die auf dem Nachttisch lag – gleich neben den Blumen und den »Gute

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