Brisante Enthüllungen
wir mit dir beim Essen besprechen wollten."
"Mom, ich habe doch eine Wohnung", entgegnete Polly ruhig.
"Ja, eine Dachgeschosswohnung." Ihre Mutter verzog das Gesicht. "Das Kinderzimmer ist kaum größer als ein Kleiderschrank. Hier hätte der Junge viel mehr Platz und dann auch ein geregelteres Leben. Vergiss nicht, die Grundschule ist ganz in der Nähe. Es wäre für alle die perfekte Lösung."
Es ist jeden Abend dasselbe, meine Mutter will Charlie nicht hergeben, überlegte Polly. Sie zwang sich jedoch, ruhig zu bleiben. "Aber ich brauche meine Unabhängigkeit. Daran habe ich mich gewöhnt."
"Ah ja. Du bist eine allein erziehende Mutter, und dein wunderbarer Job ist eine Art Sklavenarbeit. Was hast du bisher davon gehabt, dass du nach der Pfeife von Leuten tanzt, die mehr Geld als Verstand haben? Du hast dich von einem Italiener zum Narren halten lassen und dein Leben ruiniert. Glaub ja nicht, ich würde dir noch einmal helfen, wenn du wieder in Schwierigkeiten gerätst."
Polly blickte ihre Mutter schockiert an. "Das ist unfair. Ich habe einen Fehler gemacht und dafür bezahlt. Trotzdem will ich so leben, wie es mir gefällt."
Mrs. Fairfax errötete vor Zorn. "Du bist offenbar entschlossen, deinen Willen ohne Rücksicht auf deinen Sohn durchzusetzen. Wahrscheinlich wirst du ihn jetzt erst recht mitnehmen, um etwas zu beweisen."
"Nein", erwiderte Polly zögernd. "Dieses Mal nicht. Aber du solltest einsehen, dass ich das Recht habe, so zu leben, wie ich es mir vorstelle."
"Schick Charlie bitte herein, ehe du gehst." Ihre Mutter fing an, die Kartoffeln zu schälen.
"Gut, wird gemacht." Polly lächelte angespannt.
Als sie in den Garten ging, lief Charlie ihr fröhlich entgegen. Sie beugte sich zu ihm hinunter und umarmte ihn. Wieder einmal fiel ihr auf, was für ein schönes Kind er war. Mit seinem gelockten schwarzen Haar, der leicht gebräunten Haut, den langen, dichten Wimpern und den braunen Augen sah er seinem Vater viel zu ähnlich. Er wird mich immer an Sandro erinnern, überlegte sie. Warum hatte Charlie nicht ihr blondes Haar und ihre grünen Augen geerbt?
Sie strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn. "Du sollst ins Haus kommen zu deiner Großmutter", sagte sie leise. "Heute Nacht schläfst du hier. Ist das nicht schön?"
Ihr Vater gesellte sich zu ihnen und zog die Augenbrauen hoch. "Ist es für dich in Ordnung?" fragte er ruhig und sah sie aufmerksam an.
"Ja." Sie räusperte sich. "Es ist besser, ich lasse ihn hier, weil ich morgen sehr früh aufstehen muss." Sie blickte hinter Charlie her, der ins Haus lief.
"Ja." Ihr Vater zögerte kurz. "Deine Mutter meint es nur gut, Polly", versicherte er ihr ruhig.
"Aber Charlie ist mein Kind, Dad." Sie schüttelte den Kopf. "Ich muss selbst entscheiden, was für ihn am besten ist. Wieder zu euch zu ziehen ist bestimmt nicht das Beste."
"Das weiß ich", stimmte ihr Vater ihr freundlich zu. "Mir ist aber auch bewusst, wie schwierig es ist, ein Kind ohne die Unterstützung seines Vaters großzuziehen, und das betrifft nicht nur die finanzielle Seite." Er seufzte. "Ich hätte für dich alles getan und kann nicht verstehen, dass ein Mann mit seinem Kind nichts zu tun haben will."
Polly deutete ein Lächeln an. "Er wollte vor allem mit mir nichts mehr zu tun haben, Dad. Deshalb habe ich mich entschlossen, ganz aus seinem Leben zu verschwinden."
"Ja, das hast du erzählt. Dennoch machen wir uns Sorgen um dich, deine Mutter und ich." Er umarmte sie. "Pass auf dich auf."
Als sie wenig später im Bus nach Hause fuhr, gestand sie sich ein, dass die Situation kompliziert war. Sie wollte sich mit ihrer Mutter nicht wegen Charlie streiten. Die negative Einstellung ihrer Mutter zu ihrer, Pollys Arbeit, war eine ganz andere Sache. Bei Safe Hands hatte sie ihren Traumjob gefunden, und sie wusste, dass sie ihre Arbeit gut machte. Es waren vor allem Frauen und ältere Leute, die die von dem Reiseunternehmen angebotenen Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Diese Urlauber waren froh darüber, dass sie sich nicht um ihr Gepäck und die Reiseformalitäten kümmern mussten und auf den Flughäfen und in den fremden Städten auf Wunsch begleitet wurden.
Polly war Mrs. Terences jüngste Mitarbeiterin. Sie beherrschte mehrere Sprachen, war geduldig und tolerant und hatte Sinn für Humor. Und diese Eigenschaften kamen ihr bei ihrer Arbeit zugute. Außerdem reagierte sie gelassen darauf, wenn einer ihrer Schützlinge sich ihr gegenüber arrogant und anmaßend verhielt. Sie
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