Feuernacht
PROLOG
SAMSTAG ,
8 . NOVEMBER 2008
Die Katze versteckte sich hinter einem kahlen, aber dichten Busch in der Dunkelheit. Sie war vollkommen ruhig, nur ihre gelben Augen huschten hin und her; aufmerksam hielt sie Ausschau nach den Geschöpfen der Nacht. Die Menschen, die ihr zu fressen gaben, hatten es schon längst vergessen, aber die Katze wusste, dass sich in der Dunkelheit Wesen verbargen, die das Tageslicht mieden. Sie machten sich erst bemerkbar, wenn die Stille der Nacht anbrach, ungefähr dann, wenn die Schatten verschwanden oder die Macht übernahmen, je nachdem, wie man es betrachtete. Die Katze genoss diese Zeitspanne, obwohl sich ihr immer wieder das Fell sträubte, während sie auf das Unvorhersehbare lauerte, auf das Böse, das eine günstige Gelegenheit abpasste. All jene, die das Tageslicht scheuten, waren jetzt unterwegs; die dunklen Ecken verschmolzen mit der Nacht, alles war düster und einsam.
Plötzlich hörte die Katze ein leises Knacken. Sie fuhr ihre Krallen aus und grub sie in die feuchte, kalte Erde. Obwohl sie nichts erspähte, blieb sie wachsam, atmete noch langsamer und ruhiger und drückte ihren schlanken Körper so dicht wie möglich an den Boden. Die kühle Luft, die ihre Lungen nach dem langen Schlaf auf dem Sofa angeregt hatte, wurde drückend, und jeder Atemzug hinterließ einen unangenehmen Geschmack auf ihrer rauen Zunge. Instinktiv drang ein leises Fauchen aus ihrer Kehle, verzagt machte sie sich bereit, vor der Scheußlichkeit Reißaus zu nehmen, die sich dort irgendwo verbarg, unsichtbar wie die Besitzer der Stimmen aus dem Radio der Menschen. Blitzschnell drehte sich die Katze um, jagte aus dem Busch und floh, so schnell sie konnte, weg vom Haus.
Berglind setzte sich im Bett auf und war hellwach. Wenn sie normalerweise nachts aufwachte, glitt sie langsam vom Traum ins Wachsein, aber jetzt war sie aus dem Tiefschlaf hochgeschreckt und fühlte sich so, als hätte sie gar nicht geschlafen. Im Elternschlafzimmer war es vollkommen dunkel, draußen der sternenlose, tiefschwarze Himmel. Die Leuchtzeiger des Weckers standen auf halb vier. Hatte ein Weinen aus dem Kinderzimmer sie geweckt? Berglind lauschte, hörte aber nichts als das leise Ticken des Weckers und die tiefen Atemzüge ihres Mannes.
Sie schlüpfte unter der Bettdecke hervor, vorsichtig, um Halli nicht zu wecken. Er hatte in den vergangenen Monaten schon so viel durchmachen müssen, dass sie ihn auf keinen Fall stören wollte. Obwohl es so zu sein schien, konnte sie kaum glauben, dass die Geschichte endgültig vorbei war. Sie wollte mit niemandem mehr darüber sprechen, auch nicht mit ihrem Mann, denn sie befürchtete, dass die Leute sie für hysterisch halten und ihr noch weniger glauben würden. Sogar Halli, der dieselben Dinge erlebt hatte wie sie, versuchte immer öfter, sachliche Erklärungen dafür zu finden, die meist so weit hergeholt waren, dass sie ans Lächerliche grenzten. Er hatte ihre Meinung nie vollständig akzeptiert, aber aufgehört, dagegen zu protestieren, weil ihm keine andere Möglichkeit mehr blieb, als sich die merkwürdigen Ereignisse häuften. Immerhin musste man ihm zugutehalten, dass er stets hinter ihr gestanden hatte, obwohl ihre Ehe in der letzten Zeit ins Wanken geraten war. Sie schienen zwar das Schlimmste überwunden zu haben, aber Hallis Arbeitszeiten waren reduziert worden, und obwohl Berglind eine angeblich sichere Stelle bei der Regierung hatte, konnte man nie wissen, ob die nicht doch noch von Kürzungen bedroht war.
Berglinds Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit, und sie verließ geräuschlos das Zimmer. Es würde nichts bringen, sich wieder hinzulegen. Sie wollte ein Glas Wasser trinken, nach Pési schauen und sich vergewissern, dass er tief und fest schlief. Das reichte hoffentlich, um wieder müde zu werden. Wenn nicht, würde sie im Computer ein paar Patiencen legen oder im Internet surfen, bis ihre Augenlider schwer wurden. Sie wusste, wie sie sich mit etwas Sinnlosem, Stupidem ablenken konnte – sonst hätte sie es kaum so lange in diesem Haus ausgehalten. Berglind versuchte, die Schlafzimmertür ohne Knarren hinter sich zuzuziehen. Als sie das Haus gekauft hatten, wollten sie sämtliche Türen auswechseln, aber daraus war nie etwas geworden. Im Flur war es eiskalt, die Fliesen brannten unter ihren Füßen, und sie ärgerte sich, nicht nach ihren Hausschuhen gesucht zu haben. Tief im Inneren wusste sie, dass sie das nie getan hätte – sie war noch lange
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