Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
anvermählen, der die Kunst des Krieges beherrscht und ein reines Herz besitzt und der geschworen hat, sein Blut für dieses Land zu vergießen.
Unter den wunderschönen Wimpern dachte Argante über den Gemahl nach, den der Schwertgott ihr beschert hatte. Zumindest ließ die Schnelligkeit, mit der die Eheverhandlungen abgeschlossen wurden, sie vermuten, dass es sich um das Werk eines Gottes handelte. Amlodius Licinus, Schutzherr von Brigantia, besaß die Größe seiner barbarischen Ahnen, der Stammeskrieger von der Nordküste Germaniens, die den Rhein überquert hatten, um in Roms Dienste einzutreten. Seine blasse Haut war von Wind und Wetter gerötet, sein helles Haar licht, als hätte es der Druck eines Helmes fortgescheuert. Seine harten Züge deuteten auf Entschlossenheit hin, doch ob ihm auch Freundlichkeit innewohnte, wusste sie noch nicht.
Für diejenigen, die den Ehevertrag ausgehandelt hatten, war dies unwichtig gewesen. Für sie zählte nur, dass er die letzte rechtmäßige, von Rom eingesetzte Regierung verkörperte. Amlodius selbst war bewusst, dass die Zeiten sich änderten, und er wollte im Norden eine dauerhafte Dynastie begründen, indem er sich mit dem ältesten Blut des Landes verbündete. Er würde Argantes Geburt achten, und selbst wenn nicht, war sie immer noch die Herrin vom See und wusste sich zu verteidigen.
Argante tunkte ein Stück Brot in die Fleischsauce und kaute bedächtig. Sie hatte eingehend über sämtliche Auswirkungen dieses Bündnisses nachgedacht. Amlodius brauchte ihre Verbindung zu diesem Land, und der Alte Glaube brauchte einen Beschützer. Die Ehe stand unter dem Segen der Götter. Der Tisch war übersät mit den Resten des Hochzeitsfestes; bald würde es an der Zeit sein, sich ins Schlafgemach zu begeben.
Erst jetzt, ob der bevorstehenden körperlichen Vereinigung mit ihrem neuen Gemahl, fragte sie sich, ob neben all den politischen Gründen, die sie verbanden, auch Platz für Liebe sein mochte.
Der große Saal, der einst als Basilika der römischen Friedensrichter von Luguvalium gedient hatte, war mit Girlanden geschmückt und von jenen bevölkert, die sich zu Ehren des Anlasses eingefunden hatten. Argante nahm an, sie sollte sich geschmeichelt fühlen, obschon die Gäste nicht allein gekommen waren, um sie zu ehren, sondern um Amlodius’ Gunst zu erringen.
Coroticus, der erst kürzlich die Herrschaft seines Großvaters über die Feste Dun Breatann in Altacluta erlangt hatte, war ein Platz am Hochtisch zugewiesen worden. Mit von Wein gerötetem Antlitz erging er sich in einem politischen Streitgespräch mit Vitalinus von Glevum. Es hieß, Vitalinus sei so verschlagen wie der Fuchs, aus dessen Pelz die Farbe seiner Haare stammen mochte. Antonius Donatus, Beschützer des Landes der Novantae, beobachtete die beiden mit sauertöpfischer Miene. Mittlerweile war er ein greiser Mann, der von Theodosius, dem letzten Herrscher des vereinigten Reiches, in sein Amt erhoben worden war. Den größten Teil seines langen Lebens hatte er gegen die Pikten und die Skoten gekämpft und mit angesehen, wie die Macht Roms aus Britannien floss wie Blut aus einer Wunde.
An einem der übrigen Tische saß ihre Base Madrun mit einigen der Gemahlinnen der Fürsten. Als hätte sie Argantes Blick gespürt, schaute Madrun auf und lächelte. Als Argante das Lächeln erwiderte, wurde ihr bewusst, dass die meisten Anwesenden Freunde ihres Gatten waren, nicht die ihren. Unvermittelt ertappte sie sich bei dem Wunsch, sich zu den anderen Frauen zu gesellen, und fragte sich, ob irgendjemand am Hochtisch sie vermissen würde, wenn sie es täte.
Aber dann müsste sie auch mit Everdila reden, die ihre Befriedigung nicht ganz zu verbergen vermochte. Argante blieb zwar Hohepriesterin und Herrin vom See, doch zumindest bis Amlodius sie geschwängert hatte, musste sie in Luguvalium verweilen, und abgesehen vom Titel würde in Wahrheit die ältere Frau über die Priesterinnen herrschen.
»Es heißt, Ambrosius läge im Sterben…«
Eine plötzliche Spannung in dem Mann neben ihr holte Argantes Aufmerksamkeit zurück. Es war Coroticus, der gesprochen hatte, doch alle Blicke ruhten auf Vitalinus.
»Wer wird das Purpur nach ihm tragen?«, mischte Argante sich ins Gespräch, da niemand sonst zu fragen bereit schien.
»Spielt das eine Rolle?«, entgegnete Coroticus. »Die Zeit der Kaiser ist vorbei. Es entsprach schon immer der Art unseres Volkes, dass jeder Stamm einen König wählt, so wie wir in Alba. Selbst
Weitere Kostenlose Bücher