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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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legte, begegnete sein besorgter Blick dem ihren.
    »Mein Großvater hasst mich, und mein Vater kennt nicht einmal meinen Namen«, presste er verbittert hervor. »Wer wird mich beschützen?«
    Haedwig zuckte zusammen; sie spürte das erste Aufflackern der Macht in ihrem Bewusstsein, sanft wie der Luftzug, der durch das Feuer strich.
    »Schau den Vater deiner Väter«, antwortete sie, wobei ihre eigene Stimme sich seltsam in ihren Ohren anhörte. Haedwigs Sicht verfinsterte sich, als ihr weitere Worte zuflogen. »Nicht den Gott des Landes, sondern den, der mit dem Sturm jagt. Er naht. Hörst du ihn?« Mit schief gelegtem Kopf deutete sie gen Norden und lauschte.
    Das Feuer fauchte, und dazu gesellten sich die Laute des auffrischenden Windes, der durch die Äste der Bäume jenseits der Palisade fegte; es klang wie die Brandung an einem fernen Gestade. Und darüber, tief wie ihr eigener Herzschlag, das Trommeln von Hufen.
    Oescs Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr. »Ich verstehe nicht…«
    »Komm mit.« Die Hexe erhob sich aus dem Stuhl. Ohne nachdenken zu müssen, ergriff sie den Speer aus der Ecke und ging auf die Tür zu.
    Sie spürte die Verwirrung des Knaben, der Hufschlag aber kam ihrem Geist immer näher. War die Anwesenheit des Jungen ein zarter Hauch in der Brise gewesen, so war das nun Nahende der Wind selbst, ein Sturm aus Schrecken und Entzücken, der das Bewusstsein selbst hinwegfegen würde.
    Haedwig zog die Tür auf. Der Wind wirbelte um sie, fordernd wie ein Geliebter, und riss ihr die Nadeln aus dem Haar. Sie fühlte den Schaft des Speeres in ihrer Hand erzittern und lachte.
    Ich komme, ich komme, mein Herr, mein Geliebter…
    Lachend stellte sie sich dem Sturm, um dem Gott zu begegnen, und in jenem Augenblick kümmerte es sie kaum, ob der Knabe ihr folgte.
    Draußen senkte sich rasch die Abenddämmerung herab. Hastig stapfte Oesc durch die Pfützen, um Haedwig einzuholen, und hob den Arm vor die Augen als Schutz vor dem prasselnden Regen. Es goss in wahren Strömen, als hätte die Kraft des Windes die Sturmwolken aufgebrochen. Hoch erhobenen Hauptes schritt die weise Frau über den Hof auf das Osttor zu; das Haar peitschte ihr um den Kopf, und der Regen färbte es mit jedem Lidschlag dunkler. Oesc kannte sie als Frau knapp jenseits der Mitte ihres Lebens, die Jahre hatten ihre Schultern leicht gebeugt und den Leib gerundet. Nun aber wirkte sie aufrechter und jung, und er wusste, dass sie sich bereits in Trance befand.
    Unterhalb der Kuppe, die das Dorf über die Fluten erhob, erstreckte sich eine Ebene mit Wäldern, Sumpfland und Feldern, durchzogen von Tümpeln und Bächen. Im Westen schimmerte ein fahler Schein unter den rasenden Wolken und streifte die Gesetzeseiche und das Versammlungsfeld, wo die Stammestreffen abgehalten wurden, mit einem kränklich gelben Licht. In der Ferne erblickte er das zinnerne Funkeln der See. Dieses letzte Licht glitzerte auf dem Wasser, das mittlerweile noch näher gekommen war; von hier aus konnte er sehen, dass sich die sanfte Schleife des Flusses in ein glitzerndes, halbmondförmiges Maul verwandelt hatte, das mit jedem verstreichenden Lidschlag mehr von den durchtränkten Feldern verschlang. Das ›Tor der Ungeheuer‹ nannte man den Fluss, nun aber waren es nicht die an der Nordküste lebenden Riesen, die Jötun, sondern die Fluten selbst, die das Land verschlangen.
    Jenseits der Palisade, die neben der Burg auch die Werkstätten schützte, drängten sich die Langhäuser der Dorfbewohner dicht am Hang. Oesc sah, wie Haedwig zwischen den letzten beiden verschwand, und folgte ihr eilig. Im Osten erstreckte sich das Weideland des Stammes, im Westen hingegen reichte das Moor beinahe bis an den Fuß der Kuppe. Ein schmaler Pfad, um diese Jahreszeit halb überflutet, führte hindurch. Vorsichtig suchte Oesc sich den Weg, entlang der sicheren Stellen, und folgte der weisen Frau. Mittlerweile ahnte er, wohin es sie zog. Im Herzen des Moors lag der dunkle Pfuhl, an dem die Myrginge unter den starrenden Augen der Götterstatuen ihre Opfergaben darbrachten. Nur zum Opfern kamen die Menschen dorthin, sonst mieden sie den Teich; Oesc aber war schon ein paar Mal mit Haedwig dort gewesen, wenn sie Kräuter sammelte.
    Obwohl der Regen nachgelassen hatte, als er die weise Frau endlich einholte, hatte ihn das Wasser von den Ästen der Erlen und Weiden, die den Pfad säumten, ebenso durchnässt wie der Sturm zuvor. Gemeinsam bahnten sich die Frau und der Junge einen Weg durch

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