Affären? Nein Danke!
1. KAPITEL
Auf ihrer Terrasse stand ein nackter Mann.
Dr. Janet Hunter erstarrte mitten in der Bewegung. Sie hatte ihren Arztkoffer in der Hand, unter einem Arm klemmte die Handtasche, unter dem anderen eine flache Aktentasche. In der freien Hand baumelten ihre Schlüssel. Sie wollte gerade die Wohnung verlassen, um ihre neue Stelle als Juniorpartnerin der Blanton Street Group anzutreten. In dieser Gemeinschaftspraxis arbeiteten die renommiertesten Kinderärzte von Houston.
Sie blinzelte ungläubig.
Es war keine Fata Morgana. Ein splitternackter Mann stand zwischen ihren gusseisernen Gartenmöbeln.
“Diesmal bist du zu weit gegangen, Mutter”, murmelte Janet und schaute zum dritten Mal hinüber.
Na schön, der Mann war nicht ganz nackt. Er hielt sich eine leere Holzkohlentüte, die er vermutlich aus dem Mülleimer neben ihrem Außengrill geholt hatte, vor einen zentralen Punkt seines Körpers. Der Rest bot sich Janets Blick allerdings freizügig dar.
Sie nahm die Gelegenheit denn auch wahr.
Es hätte schlimmer sein können. Der Kerl hätte fett wie ein Sumo-Ringer sein können.
Stattdessen sah er ziemlich gut aus. Der Geschmack ihrer Mutter hatte sich offensichtlich verbessert. Das zumindest musste Janet ihr lassen.
“An jedem anderen Tag wäre ich in der Lage, die Situation in den Griff zu bekommen, Mutter”, beschwerte sie sich laut, obwohl ihre Mutter nicht da war. “Aber heute ist mein erster Arbeitstag, ich bin nervös, und der Zeitpunkt, den du gewählt hast, passt mir überhaupt nicht.”
Janet stellte ihren Arztkoffer ab und legte die Aktenmappe auf den Küchentisch. Dann nahm sie eine Dose Pfefferspray aus ihrer Handtasche und ging entschlossen zur Verandatür. Sie riss sie auf.
“He, Sie!”, rief sie und versteckte das Pfefferspray in ihrer Hand.
Der Mann, der mit dem Rücken zu ihr gestanden hatte, zuckte erschrocken zusammen, als er merkte, dass er entdeckt worden war. Er wirbelte herum, bemühte sich dabei jedoch, den männlichsten Teil seiner Anatomie mit dem leeren Kohlensack zu bedecken.
Er hatte muskulöse Oberarme, sein Bauch war flach, und seine Beine waren lang, schlank und durchtrainiert. Sein markantes Kinn bedeckten dunkle Bartstoppeln, was einen aparten Kontrast zu seinem dunkelblonden Haar bildete. Seine schokoladebraunen Augen blickten eindringlich. Insgesamt war er ein attraktiver Mann.
Das Einzige, was diesen Eindruck störte, war der panische Ausdruck auf seinem Gesicht.
Wenn ich auf meiner Terrasse ein Testosteron-Messgerät installiert hätte, dachte Janet, dann würde es vermutlich die Skala sprengen. Puh!
Was war los mit ihr? Wie kam sie dazu, die körperlichen Qualitäten eines Mannes zu bewundern, der von ihrer Mutter engagiert worden war? Sie hatte nicht die geringste Lust, auf deren Verkupplungstaktik einzugehen. “Nein, Ma’am. Niemals.”
“Reden Sie mit mir?”, fragte der Mann so gelassen wie unter den Umständen möglich. Er schien seine Nacktheit bewusst zu ignorieren.
“Sehen Sie hier noch irgendeinen anderen Spanner?”, erwiderte Janet grob. “Wie viel zahlt sie Ihnen?”
“Wie bitte?”, stammelte er.
“Wie viel hat sie gelöhnt, damit Sie diese Show abziehen? Ist es wirklich genug, um sich auf diese Weise zu erniedrigen?”
Letzte Woche hatte Gracie Hunter einen Kammerjäger vorbeigeschickt, um in Janets völlig ungezieferfreiem Apartment fiktive Ratten und Mäuse zu erlegen. Das war schon schlimm genug gewesen. Wenig später rief ihre fürsorgliche Mutter aus einem nichtigen Grund die Feuerwehr, weil angeblich ein Kätzchen im Baum saß und nicht mehr herunterkam. Oder sie schaltete Heiratsanzeigen für Janet. Das heute war jedoch der Gipfel aller mütterlichen Kuppelversuche. Ein nackter Mann auf der Terrasse war mehr, als Janet erdulden wollte.
Und alles nur, weil Nadine Maronga, die Astrologin, die ihre Mutter regelmäßig zu Rate zog, Gracie Hunter vorhergesagt hatte, dass sie bis zu ihrem zweiundfünfzigsten Geburtstag Großmutter sein müsse, sonst würde sie es nie. Seitdem setzte Gracie jedes Mittel ein, um ihrer Tochter zu einem Ehemann zu verhelfen.
Leider musste Janet zugeben, dass die Weissagungen der Astrologin meistens in Erfüllung gingen. Gracie ging seit dreißig Jahren zwei Mal die Woche zu ihr und glaubte ihr jedes Wort. Nadine hatte vorausgesehen, dass Janets Vater fortgehen würde, dass Gracie sich einer Gallenblasenoperation unterziehen musste und dass sie mit einem Rubbellos zweitausend Dollar gewinne würde.
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