Broken Lands
du blöder Mistkerl?»
«Etwas anderes war gerade nicht verfügbar», entgegnete der Mann namens Walker leichthin. Er griff in die Reisetasche und holte einen langen blauen Filzmantel heraus. «Willst du dich beschweren oder willst du dich anziehen?»
«Wo ist die Kreuzung?» Der andere Mann streckte einen sandfarbenen Arm aus, und noch während der Bewegung verfestigten sich Hand und Finger weiter. «Was für einen Tag haben wir heute?»
Walker zögerte. Der große Mann legte sich schwungvoll das Kleidungsstück um die Schultern und ließ die silberne Uhr in die Innentasche gleiten. Er wollte gerade seinen Mantel zuknöpfen, als er innehielt und seinen Gefährten aus Augen anschaute, die perlmuttgrau waren, wie Muschelschalen. «Walker?»
«Es ist Donnerstag», sagte Walker langsam. «Im August.» Er lächelte, wobei er hinter den geschlossenen Lippen die Zähne zusammenpresste. «Wir haben drei Tage, Bones. Jack kommt Sonntagnacht.»
«Drei Tage?», wiederholte Bones mit kalter Stimme. «Warum? Ich dachte, wir hätten mindestens zwei Wochen Zeit, bevor Jack eintrifft.»
«Es gab da …»
«Wir sind mit dem Dampfer gefahren», unterbrach ihn Bones und senkte seine sandfarbenen Lider leicht über die gefährlich funkelnden Muschelaugen. «Ich habe die Bewegung des Wassers gespürt. Es gab nicht zufällig ein Casino auf dem Dampfer? Vielleicht ein Kartenspiel, ein Turnier mit hohem Einsatz, für das wir ganz und gar keine Zeit hatten?»
«Wir haben keine Zeit für diese Diskussion», knurrte Walker. «Wir müssen Jack eine Stadt präsentieren, die sich ihm willenlos ausliefert. Fangen wir an!» Er hob das Holzkästchen auf und stapfte in Richtung der Gebäude an der Culver Plaza.
Bones nahm die leere Reisetasche und folgte ihm. «Hast du wenigstens gewonnen?», fragte er mit seiner kalten, knirschenden Stimme.
Walker lächelte dünn. «Ich gewinne doch immer, nicht wahr?»
«Wem hast du denn das Veilchen zu verdanken?»
Sam berührte die Prellung auf seinem Wangenknochen, zuckte mit den Schultern und lehnte sich gegen den Sims des Mansardenfensters. Dann streckte er die Beine über das Dach des einstöckigen Hauses aus. «Einem Kartenhai. Als Nächstes verliere ich noch gegen die Touristen am Strand beim Siebzehn-und-vier .»
Constantine streckte die Hand aus. Sam zog ein Kartenspiel aus seiner Jackentasche und reichte es ihm. Er beobachtete Cons Finger, während der ältere Junge das Spiel teilte, die Hälfte in der linken Hand auffächerte und mischte. An einigen Tagen, gewöhnlich dann, wenn es mit seinem Bein besonders schlimm war, hatte Con Probleme mit den Karten. Aber heute war keiner dieser Tage. Das Mondlicht fing sich in den Karten, die in einer vollkommenen Kaskade durch Cons Finger glitten.
«Was spielen wir?» Con mischte weiter. «Coteccio, Piquet, Rumstick, Briscola?»
Eine bleiche, tastende Hand tauchte am Rand des Dachs auf, gefolgt von einer leise zischenden Stimme. «Sam! Constantine!»
Die beiden Jungen stürzten gleichzeitig zum Rand. Constantine packte das knochige Handgelenk. Sam beugte sich vor und spähte über den Rand zu Ilana Ponzi, die – gekleidet in ein Nachthemd und einen Pullover – auf ihrem Fenstersims balancierte und sich mit der freien Hand am Rahmen festhielt. «Wir müssen ihr eine Leiter bauen», brummte er. «Gib mir deine andere Hand, Illy!»
«Ich brauche keine Leiter!», war ihr empörter Kommentar.
Gemeinsam hievten Sam und Constantine Ilana aufs Dach. Sam verzog das Gesicht beim Geräusch ihrer Schuhe, die Halt suchend am Mauerwerk entlangschrammten. «Das nächste Mal ziehst du deine Schuhe aus!», verlangte er. «Wenn deine Mutter uns hier oben erwischt …»
«Schon gut, beruhige dich.» Ilana krabbelte über die Dachschindeln, bis sie sich mit dem Rücken gegen das Mansardenfenster lehnen konnte. Dann zog sie in Wachspapier eingewickelte Sandwiches und Kuchenstücke aus ihren Pullovertaschen. «Was spielen wir?»
Das Haus der Familie Ponzi wies nach Nordwesten, weg von West Brighton und hin nach Brooklyn und New York, das dahinter lag. Auch jetzt noch, mitten im Sommer, war es verhältnismäßig kühl hier. Anders als in Smoky Hollow, wo der kleine Sam gewusst hatte, dass es Juni war, wenn sich das Sonnenlicht endlich einen Weg in das Zimmer bahnen konnte, in dem er mit seinem Vater lebte. Damals war die Flucht aufs Dach nichts anderes gewesen als – eine Flucht. An einem heißen Tag konnte man in einem dieser fensterlosen Hinterzimmer wie in
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