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Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Titel: Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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    Fraser rückte seine Brille in die Stellung zurecht, die ihm, wie er wußte, jenen Ausdruck verlieh, in dem er sich am liebsten gefiel: dem einer affektierten Dümmlichkeit. Dann fuhr er sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken und starrte töricht in die aufgeschlagene Akte in seinen Händen.
    «Ich würde annehmen, Sir», sagte er vorsichtig, «daß es ungeheuer schwierig für uns werden könnte, eine Person wie Modesty Blaise derzeit zu – hm – gewinnen.»
    Er blinzelte zu dem großen grauhaarigen Mann hinüber, der am Fenster stand und auf den nächtlichen Verkehrstrubel Whitehalls hinunterblickte.
    «Eine Sekunde lang», sagte Tarrant und wandte sich vom Fenster ab, «hoffte ich schon, Sie sagen: herumzukriegen.»
    «Verzeihung, Sir Gerald.» Fraser spielte den Zerknirschten. «Ein andermal vielleicht.»
    Tarrant ging zu dem großen Schreibtisch, der quer zur Ecke des Zimmers stand, setzte sich in seinem Stuhl zurecht, öffnete eine polierte Holzdose, entnahm ihr eine Zigarre und widmete sich bedächtig dem Anzünden. «Eine bemerkenswerte Frau, Fraser», sagte er und sah gedankenvoll dem Rauch nach, der im Neonlicht in dicken Ringen zur Decke zog. «Wenn Sie im Jahre 1945 ein ganz auf sich allein gestelltes Kind gewesen wären, in einem Vertriebenenlager im Mittleren Osten, glauben Sie, daß es Ihnen dann wohl auch gelungen wäre, sich im Alter von sechsundzwanzig Jahren mit weit über einer halben Million Pfund Sterling ins Privatleben zurückzuziehen? Als Mädchen, meine ich natürlich.»
    Fraser ließ schnell sein Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten Revue passieren und entschied sich für den leicht beleidigten mit dem Schmollmund. Tarrant betrachtete den Ausdruck sinnend und nickte dann beifällig.
    «Die Sache ist die», fuhr er fort, «daß wir sie wohl kaum um Geld bekommen. Jedenfalls nicht nach dem Staatsdiensttarif von zweitausend pro Jahr.»
    Fraser hob eine Hand mit elegant gekrümmtem Mittelfinger und kratzte sich eingehend die Kopfhaut unter dem schütter werdenden Haar. «Einige von unseren Leuten tun’s aus Idealismus», sagte er schüchtern.
    «Ja. Sie hat anscheinend etwas für unser Land übrig.»
    Tarrant betrachtete stirnrunzelnd seine Zigarre. «Immerhin hat sie England zu ihrem ständigen Wohnsitz gewählt. Andererseits habe ich jedoch nicht das Gefühl, daß man sie mit heldischem Trompetengeschmetter herumkriegen kann, sich ins Schlachtgewühl zu stürzen.»
    «Vielleicht Erpressung?» Fraser versuchte Hinterhältigkeit, Kühnheit und Widerwillen in ein einziges Wort zu legen. Es gelang ihm nicht, und er heimste ein mitleidiges Kopfschütteln von Tarrant ein.
    «Nein – Erpressung geht nicht. Ich glaube nicht, daß wir dazu wirklich einen Hebel besitzen, Fraser. Und wir brauchen viel mehr als eine Mitarbeit wider Willen.»
    «Ob vielleicht das hier …?» Fraser beendete den Satz nicht, während er umständlich einen gelblichen Halbbogen aus der Akte heraussuchte und ihn völlig unnötig eine Zeitlang genau studierte. «Ob vielleicht das hier nützen könnte?»
    Tarrant nahm das Blatt und las die kurze Nachricht zweimal. Jetzt ist der zögernde, aber hoffnungsvolle Ausdruck an der Reihe, dachte er, schaute zu Fraser auf und fand seine Vermutung bestätigt.
    Flüchtig fragte er sich, warum ein Mann mit den Erfolgen Jack Frasers im Außendienst sich eigentlich derart Mühe gab, einen untüchtigen Tölpel zu spielen, jetzt, da er in Sicherheit hinter einem Schreibtisch saß.
    Wahrscheinlich reine Gewohnheit. Diese Pose war ihm seinerzeit prächtig zustatten gekommen, und er konnte sie jetzt nicht gut ablegen. Tarrant hatte nichts gegen das Spielchen einzuwenden. Die beiden Männer waren alte Freunde, und Fraser konnte sich, wenn er einmal kurz seine Pose fahrenließ, mit schöner Direktheit ausdrücken. Jedenfalls war es ein harmloses Spiel, manchmal sogar nützlich und sehr oft amüsant.
    «Die Nachricht ist erst vor einer Stunde aus der Chiffrierabteilung heraufgekommen», sagte Fraser mit einer vagen, entschuldigenden Geste. «Natürlich haben sie ihr keinerlei Bedeutung zugeschrieben. Nichts als ein Teil des allgemeinen routinemäßigen Berichts. Aber mir ist der Gedanke gekommen, ob nicht vielleicht …?»
    «Ich bin der Meinung, daß sie tatsächlich nützlich ist.» Tarrant reichte Fraser das Blatt zurück und schaute auf die Uhr. «Zehn Uhr. Glauben Sie, daß sie uns heute noch empfängt?»
    «Die Zeit könnte nicht besser gewählt sein.» Fraser sprach mit hohlem

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