Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)
vergleichsweise kühle, frische, abendliche Wüstenluft.
Karím stand an der Straße und wartete auf mich.
»Du siehst erschöpft aus, Hagen, geht es dir nicht gut?«, fragte er teilnahmsvoll.
»Es war ziemlich heiß drinnen«, erwiderte ich matt und wischte mir den Schweiß vom Gesicht.
An der Wüstenstraße zwischen Kairo und Gizeh lag eine lange Reihe von Nachtclubs und Vergnügungsetablissements. Karím führte mich in ein großes, rot ausgeschlagenes und mit Goldlaternen geschmücktes Zelt. Wir nahmen zwischen wohlhabenden Ägyptern, Scheichs aus den arabischen Nachbarländern in malerischer Burnus-Kleidung und den unvermeidlichen, devisenträchtigen Touristen an einem der verzierten Messingtische Platz. In der Mitte des Zeltes befand sich eine noch leere Tanzbühne. Ein freundlicher Ober in orientalischer Kleidung servierte uns Karawanentee und allerlei orientalische Leckerbissen.
Der Bauchtanz begann. Ich hatte selten etwas weniger Erotisches gesehen als diese fetten, nackten, zuckenden Frauenhüften. Karím aber sah fasziniert zu, und ich verbiss mir jeden Spott. Ich ließ meine zerrupften Gedanken abschweifen in ein Badezimmer nahe dem Kurfürstendamm. Nun erlaubte ich doch der Erinnerung, mich zu quälen.
An einem Morgen war ich viel zu spät aufgewacht. In der festen Überzeugung, dass Ascan schon aus dem Haus gegangen wäre, hetzte ich nackt ins Badezimmer. Da sah ich ihn! Auch er hatte offenbar verschlafen und außerdem die Badtür nicht abgeschlossen, weil er wiederum gedacht hatte, ich wäre schon fort. Ich sah ihn nackt, ganz nackt, noch nass vom Duschen, schlank und schön, viel schöner, als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Wasserperlen glitzerten auf seiner makellosen Haut. Eine heftige Erregung packte mich. Ascans Blick flammte auf, als er mich so sah. Dann hatte er mir die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Ich schloss die Lider, um den Bauchtanz zu vergessen, und sah im Innern ihn, meinen geliebten Bruder, sah jede Kontur seines Körpers. Ich wollte aufschreien und stöhnte nur. Karím! Ich brauchte ihn so dringend.
»Ich brauche dringend frische Luft«, rief ich ihm durch das Getöse der Trommelmusik zu.
Karím nickte, und wir gingen hinaus.
Vor dem Ausgang lagerten die allgegenwärtigen, zerschundenen fahlen oder schwarzen Paria-Hunde, flohverseuchter Abglanz des schakalköpfigen Totengottes Anubis. In der Ferne hoben sich die Pyramiden im gelben Scheinwerferlicht von der Dunkelheit ab, und über uns wölbte sich die Himmelskuppel mit Myriaden von flimmernden Sternen.
Wir gingen etwas in die Wüste hinein, bis wir Hunde, Flöhe und Vergnügungslärm hinter uns gelassen hatten. Wir kleideten uns aus und legten unsere Sachen als Bett auf den Sand. Ich umfasste Karím. Hinter einem Felsvorsprung, im Versteck der Nacht, unter der samtblauen Sternenkuppel gab er sich mir hin in seiner stillen, sanften, geduldigen Art. Er öffnete sich einfach und bedingungslos. Ich wurde ruhig und zärtlich, weil ich wusste, dass ich mich loslassen konnte, dass ich ihn »Ascan« nennen durfte, so oft ich wollte, dass ich den Namen flüstern und schreien durfte, während ich sacht hineinglitt in den hellbraunen, willigen Körper.
Ich blieb lange in ihm. Diesmal wollte ich nicht gleich das Ende. Ich dehnte sie und kostete sie aus, die Stunde Glück, und war fort, weit fort von der trostlosen Wüste.
»Wann wirst du dich scheiden lassen und mich endlich heiraten?«, fragte ich, als wir später nebeneinander im Sand saßen, den Rücken an den Felsen gelehnt.
»Ist es noch schlimmer geworden mit deinem Bruder?«
»Besser. Und dadurch viel schlimmer ...«
»Erzähl.«
»Er war plötzlich freundlich zu mir. Er hat mich bei sich wohnen lassen, nachdem es in meiner Wohnung gebrannt hatte. Wir waren zusammen im Theater, wir haben gemeinsam getrunken, geredet ...«
»Und?«
»Nichts!« Ein Messer schnitt an meinem Herzen herum, ein stumpfes Messer, das keinen glatten Schnitt machen konnte, sondern die Wundränder zerfleischte. Ich sah hinauf in den klaren Nachthimmel.
Karím nahm meine Hand. »Es tut mir weh, wie sehr du dich seinetwegen quälst.«
»Ich komme nicht dagegen an, Karím.«
»Wenn ich wüsste, wie ich dir helfen könnte, würde ich es bedenkenlos tun.«
»Du hilfst mir schon mehr als jeder andere«, sagte ich. Dann schwiegen wir beide.
4. Die Hölle
Nicht werde ich ihn aufgeben,
wenn ich vertrieben würde,
geschlagen
bis zu der Wache des Sehor-Kanals,
bis ins Land Syrien mit
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