Brückenorakel Bd 2 - Weltenwanderer (German Edition)
hölzerne Treppe. Sie endete an einer Plattform, die genau auf einer Linie mit der Felge des Rades ausgerichtet war. Darauf erhob sich ein aus Weidenzweigen geflochtener, anmutig geschwungener Bogen.
Er schimmerte zartblau.
»Avi«, zischte Hannah. »Was machen wir jetzt?«
»Wir zerstören das Ding«, erwiderte er. »Restlos.«
Der Goblin vor Avi kippte den Inhalt seines Sacks in den Trichter und trat beiseite. Avi zögerte. Dass er seinen Auftrag erfüllte, kam jedenfalls nicht in Frage.
»Wer hält hier den Verkehr auf?«, rief jemand.
Ein Goblin kam auf sie zumarschiert. Avi straffte die Schultern und zerrte gleichzeitig an der Kordel, mit der der Sack in seinen Händen zugebunden war. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Hannah das Gleiche tat.
»Beeilung!«, brüllte der Goblin. »Hier wird nicht herumgetrödelt!« Er hielt sein Gesicht so nah an das von Avi, dass sein Speichel durch das Visier des Helms sprühte.
»Ich muss nur mal kurz Luft holen«, nuschelte Avi. Am liebsten hätte er den Goblin mit seinem Schwert aufgespießt.
»Hä?«, herrschte der Goblin ihn an. »Sprich lauter!«
Levi, der noch immer an der Maschine stand, grinste hämisch. Amüsierte er sich über die Auseinandersetzung, oder gab es etwas anderes, das er komisch fand? Aus der Entfernung war es nur schwer festzustellen.
»Ich will jetzt sehen, wie du diesen Sack auskippst!«, befahl der Goblin. »Sonst ziehe ich dir die Hammelbeine lang!«
Avis Finger nestelten unschlüssig an der Kordel herum. Da schob Hannah sich an ihm vorbei. Sie öffnete ihren Sack und griff vorsichtig hinein. Avi hielt den Atem an. Nach einigen Sekunden kam Hannahs Hand wieder zum Vorschein. Ihre behandschuhten Finger umfassten sanft die Taille eines zappelnden Elfs. Seine Flügel schwirrten, und er spähte blinzelnd ins helle Licht.
Der Goblin wies auf die Maschine. »Du weißt, was du zu tun hast.«
Hannah nickte, geriet beim Umdrehen jedoch absichtlich ins Stolpern. Ihre Hand öffnete sich, und im nächsten Moment war der Elf frei. Zunächst schlug er matt mit den Flügeln und betrachtete die Szene um sich herum, aber bald erklang ein zorniges Surren, seine Flügel vibrierten, blaue Funken sprühten, und er verschwand, begleitet von einem grellen Lichtblitz.
»Hoppla!«, sagte Hannah mit verstellter Stimme.
»Du Tropf!«, tobte der Goblin. Er holte aus, und bevor Avi etwas unternehmen konnte, versetzte er Hannah einen kräftigen Schlag auf den Kopf. Ihr Helm flog durch die Luft und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem weichen Boden. Mit einem Aufschrei stürzte Hannah daneben. Das Blut quoll ihr aus der Nase.
Kurz hielten alle erschrocken inne. Avi drohte mit seinem Krummsäbel, doch schon im nächsten Moment packte eine Hand sein Handgelenk und entriss ihm die Waffe. Jemand zog ihm den Helm vom Kopf, so dass der Regen sein ungeschütztes Gesicht peitschte. Von allen Seiten rückten Goblins mit gezückten Waffen näher.
»Lasst sie in Ruhe!«, schrie Avi und sträubte sich gleichzeitig gegen den Goblin, der ihn festhielt. »Und die Elfen auch!«
»Nanu«, erklang da eine tiefe, sonore Stimme. »Wen haben wir denn da?«
Während man Avi den Sack abnahm, wurde Hannah von zwei Goblins auf die Füße gezerrt. Ihre Wange war blutverschmiert. Angst stand in ihrem Blick.
Die Menge der Goblins teilte sich, und Kellens unverkennbare Gestalt trat durch die Lücke. Er war von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet und trug einen Umhang, der über den Boden schleifte. Seine knochigen Hände verschlangen sich ineinander wie aufgeschreckte Spinnen. Abgrundtiefes Erstaunen zeichnete sich in seinem narbigen Gesicht ab, was Avi ein wenig Genugtuung verschaffte.
Levi hastete hinter Kellen her.
»Er ist es!«, rief er.
Der König der Goblins hatte sich rasch wieder gefasst. Er straffte die Schultern und blickte zwischen Hannah und Avi hin und her.
»Schön, dich wiederzusehen, Avi«, sagte er. »Dich und deine … Freundin. Aber mir ist rätselhaft, was du hier willst.«
»Deinen Versuchen ein Ende bereiten«, entgegnete Avi. »Und die Elfen befreien.«
Bei diesen Worten brachen die Goblins in lautes Gelächter aus. Avi richtete sich so hoch auf wie möglich. Allerdings lief er rot an, und sein Herz klopfte wie wild.
»Nur du und das Mädchen?«, fragte Kellen. »Ich fürchte, zu zweit werdet ihr nicht viel ausrichten können.«
»Ach, ich weiß nicht, es ist uns schließlich schon öfter gelungen, dich auszutricksen.«
Kellen machte eine
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