Bruno Chef de police
selbst.
»Hier wohnt seine Familie«, antwortete Bruno. »Er hatte seinen Namen geändert, die Familie in Algerien zurückgelassen, seinen Bruder im Krieg verloren und nach dem Algerienkrieg auch seine Heimat. Als dann seine Frau gestorben war, ist er hierhergezogen, nach Saint-Denis, wo sein Sohn eine feste Anstellung als Lehrer hat und auch sein Enkel arbeitet. Er war alt, müde und einsam und hat deshalb das Risiko auf sich genommen.«
»Sie glauben, der Mord ist von jemandem begangen worden, der ihn nach all den Jahren wiedererkannt hat?«
»Ja«, antwortete Bruno. »Es war wohl ein Racheakt, und ich glaube, der Täter wähnt sich im Recht. Jedenfalls würde ich so meine Verteidigung anlegen, wenn ich sein Anwalt wäre.«
»Verstehe«, sagte Tavernier. »Ich werde einen genaueren Blick in Ihre Unterlagen werfen müssen. Wie Sie schon sagten, verehrte
inspectrice,
es steht einiges auf dem Spiel. Über weitere Schritte sollte auf höherer Ebene nachgedacht werden.« Er blickte auf und lächelte entschlossen. »Sie drei haben einen langen Tag hinter sich und ausgezeichnete Arbeit geleistet. Meine Hochachtung. Sie haben sich eine kleine Auszeit redlich verdient. Wir werden fürs Erste darauf verzichten, alte Widerstandskämpfer ins Kreuzverhör zu nehmen, und ich schlage vor, dass Sie jetzt im besten Restaurant von Périgueux zu Abend essen. Auf Staatskosten. So viel dürfte im Budget für die Ermittlungen noch drin sein.«
Im Flüsterton versprach er Jean-Jacques, von sich hören zu lassen, sobald eine Entscheidung getroffen sei, stand auf und sammelte die Unterlagen ein. Er verbeugte sich lächelnd vor Isabelle und wollte das Zimmer verlassen, doch Bruno hielt ihn mit den Worten auf: »Da wäre noch was. Wenn Sie bitte den Beschluss der Haftentlassung von Richard Gelletreau ausstellen würden. Der Junge steht nicht länger unter Verdacht.«
»Bruno hat recht«, bestätigte Jean-Jacques. »Es liegt nichts gegen ihn vor. Seine Freundin Jacqueline hat ein volles Geständnis abgelegt und ihn entlastet. Dank ihrer Aussagen können jetzt unsere holländischen Kollegen die Dealer festnageln. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.«
»Na schön«, sagte Tavernier. Bruno sah zu Isabelle hinüber, die ihn anlächelte. Tavernier öffnete seinen eleganten schwarzen Attachekoffer und legte sich einen Briefbogen zurecht, formulierte den Beschluss und setzte sein Dienstsiegel darunter. »Bringen Sie ihn nach Hause, Bruno.«
Bruno erwachte im eigenen Bett. Isabelle schlief noch. Sie lag mit zerzausten Haaren neben ihm und hatte einen Arm auf seiner Brust liegen. Vorsichtig schlüpfte er aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen in die Küche, um Kaffee aufzusetzen. Dann fütterte er den Hund und die Hühner, wässerte die Beete und dachte an das, was es an diesem Tag für ihn zu tun gab. Es war der 18. Juni. Er wusste: Wenn er das Radio einschaltete, würde ein Sprecher von
France Inter
de Gaulles Rede vortragen, in voller Länge. Bruno erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass es von der 1940 gehaltenen Rede keine Tonaufzeichnung gab und dass der General sie später nach der Befreiung noch einmal ins Mikrofon diktiert hatte.
»Francais et Françaises, la France a perdu une bataille, mais la France n'a pas perdu la guerre!«
Er war immer noch nackt, als er sich im Gemüsegarten hinter den Komposthaufen stellte und lustvoll im Stehen urinierte. Gigi war ihm nachgelaufen, nahm sich ein Beispiel an seinem Herrchen und hob das Bein. Plötzlich war im Hintergrund Beifall zu hören. Isabelle stand in der Tür und klatschte langsam in die Hände. Sie sah hinreißend aus in dem blauen Uniformhemd, das er tags zuvor getragen hatte.
»Magnifique«,
rief sie und warf ihm eine Kusshand zu. »Das Kompliment gebe ich dir zurück«, antwortete er lachend.
»
Die
police municipale
steht dir ausgesprochen gut.«
»Ich habe mich schon wieder nicht im Hotel blicken lassen«, sagte sie, als sie Kaffee tranken. »Mein Ruf ist ruiniert.«
»Keine Sorge. In der Stadt hat sich längst herumgesprochen, dass du dienstlich nach Bordeaux und Périgueux musstest«, beruhigte er sie. »Und wennschon, lass sie doch reden! Du gehst doch ohnehin nach Paris.« Auf dieses Thema war er bislang noch nicht zu sprechen gekommen.
Sie streckte den Arm aus und legte ihre Hand auf seine. »Erst im September«, sagte sie leise. »Wegen der Drogengeschichte werde ich noch eine Weile hierbleiben, einen Monat mindestens. Internationale Amtshilfe
Weitere Kostenlose Bücher