Bruno Chef de police
des Essens.«
»Ich wünschte, ich hätte Lehrer wie Sie gehabt. In unseren Unterrichtsstunden ging es immer nur um Königinnen und Könige, Päpste und die napoleonischen Kriege«, sagte Bruno. »So habe ich noch nie über Geschichte nachgedacht.«
»Christine hat recht mit dem, was sie sagt«, schaltete sich Pamela wieder ein. »Aber der Krieg und die Rationierung, die bis fast zehn Jahre nach Kriegsende beibehalten wurde, haben alles noch schlimmer gemacht. Weil das Land abhängig war von billigen Importen, führte die Seeblockade der Deutschen zu einer bedrohlichen Verknappung an Lebensmitteln. Sie mussten rationiert werden, so dass es für den Einzelnen pro Woche nur ein Ei gab, kaum Fleisch oder Früchte. Auch in den Restaurants ging es mit den Kochkünsten bergab, weil es sich niemand mehr leisten konnte, dort zu essen. Es dauerte eine ganze Generation, bis sich Besserung einstellte und die Briten ins Ausland fahren, fremdländische Küche genießen und sich wieder Restaurantbesuche und Kochbücher leisten konnten.« Pamela nahm die dunkle Flasche vom Tablett. »Und jetzt empfehle ich Ihnen statt eines Cognacs das hier als
digestif,
einen schottischen Malt-Whisky, der mit gewöhnlichem Whisky so viel gemein hat wie ein großer Château-Wein mit
vin ordinaire.
Dieser nennt sich Lagavulin. Er kommt von der Insel, auf der meine Großmutter geboren wurde, und schmeckt nach Torf und Meer.«
»Trinkt man ihn wie einen Cognac nach dem Essen?«, fragte Bruno.
»Mein Vater hat mir beigebracht, zuerst lange daran zu schnuppern, dann einen winzigen Schluck zu nehmen, im Gaumen zu bewegen, bis sich der Alkohol verflüchtigt hat, und schließlich durch den Mund tief einzuatmen, um das ganze Aroma aufzunehmen. Danach spült man mit einem ordentlichen Schluck nach.«
»Hmm, der macht warm bis in die Fußspitzen«, sagte Bruno, nachdem er tief Luft geholt hatte. »Sehr gut«, kommentierte er den für ihn ungewöhnlichen rauchigen Geschmack. »Genau der richtige
digestif
nach einem hervorragenden Mahl in Ihrer Gesellschaft. Ich danke Ihnen beiden.«
Er erhob sein Glas, und seine Augen zwinkerten auf jene Weise, die allen, die ihn kannten, verriet, dass er eine scherzhafte Bemerkung auf den Lippen hatte.
»Ich resümiere mit der Frage, ob ich denn wirklich in den Genuss englischer Küche gekommen bin«, sagte er und lächelte über Pamelas leicht konsternierte Miene. »Es gab schottischen Whisky und schottischen Fisch, Wein aus Cornwall, französisches Rindfleisch, Salat, Gemüse und Erdbeeren aus hiesigem Anbau, englischen Champagner nach französischer Art, und das einzig originär Englische war der Käse. Das alles wurde phantastisch zubereitet von einer Engländerin, die hier im Périgord zu leben beliebt und damit beweist, dass sie einen vorzüglichen Geschmack hat.«
20
Noch mit dem angenehmen Nachgeschmack des Whiskys auf der Zunge machte sich Bruno in seinem Wagen auf den Weg nach Hause. Auf der nächsten Anhöhe, wo ein gutes Funksignal zu erwarten war, hielt er an und warf einen Blick auf sein Handy. Es war kurz nach 22:30 Uhr. Noch nicht zu spät. Er wählte die Nummer von Jean-Luc, seinem besten Freund unter den Gendarmen und einem glühenden Anhänger der Rugbymannschaff von Saint-Denis. Eine Frauenstimme antwortete.
»Hallo, Francine, ich bin's, Bruno. Ist Jean-Luc zu Hause, oder hat er etwa Dienst?«
»Hallo, Bruno. Du solltest dich vorsehen.
Capitaine
Duroc stellt neuerdings jede Nacht Verkehrskontrollen auf. Die Pfeife will offenbar einen neuen Rekord in Sachen Strafanzeigen wegen Alkohol am Steuer aufstellen. Augenblick, ich rufe Jean-Luc an den Apparat.«
»Bist du wieder auf der Rolle, Bruno?«, sagte sein Freund mit etwas schwerer Zunge. »Wie soll man sich an dir ein Beispiel nehmen? Ja, Duroc lässt verstärkt kontrollieren. Vergangene Nacht hat er Vorin und mich auf die Straße nach Périgueux abkommandiert und sich selbst mit der jungen Françoise an die Kreuzung nach Les Eyzies gestellt. Ich glaube, er hat ein Auge auf sie geworfen. Sie kann ihn allerdings nicht ausstehen, genauso wenig wie wir alle. Wir müssen abwechselnd Nachtschicht schieben und haben die Schnauze voll davon. Ich sag dir was. Zurzeit fährt der junge Jacques Patrouille. Ich rufe ihn an und frage, wo er gerade ist. Dann melde ich mich wieder und gebe dir Bescheid.«
Während Bruno auf den Rückruf wartete, dachte er an die beiden Frauen, mit denen er den Abend verbracht hatte. Christine war ausgesprochen hübsch,
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