Buch des Todes
der als eine der grausamsten und blutigsten Mordserien der letzten fünfhundert Jahre in die norwegische Geschichte eingehen sollte.Auf norwegischer Seite scheute man keine Mittel, um den Umfang von Jens Dahles Untaten restlos aufzuklären. Das Bootshaus in Ørland war von Vlado Taneski in der Adressavisen natürlich gleich in das »Bootshaus des Schreckens« umgetauft worden. Überhaupt tat die Presse beinahe alles, um Jon Vattens letzten Willen, Dahle nicht zu einem mythischen Monster zu stilisieren, nicht in Erfüllung gehen zu lassen.
Im Bootshaus gab es mehr als genug Material, um Jens Dahle die Morde an Hedda und Edvard Vatten nachzuweisen, sowie den Mord an seiner eigenen Frau. Daneben gab es aber auch noch Haut von mindestens einem noch nicht identifizierten Opfer, wodurch Dahle nun auch nach allen Regeln der Kunst oder der polizeilichen Definition zu einem echten Serienmörder wurde.
Was den Mord in Virginia anging, reichten die Indizien aus, um ihn sicher auch damit in Verbindung zu bringen. Neben der Ähnlichkeit der Morde und der sicheren Verbindung zwischen Gunn Brita Dahle und Efrahim Bond, aus der sich das Motiv für den Mord ableitete, gab es auch elektronische Spuren, die Jens Dahles Reiseroute bestätigten.Al les deutete darauf hin, dass er nach Washington, D. C., geflogen war und von dort aus einen Leihwagen genommen hatte. In einem Depot für medizinische Ausrüstung in Washington, D. C., hatte er ein Skalpell und weitere chirurgische Werkzeuge gekauft.Allem Anschein nach hatte er diese nicht aus Norwegen mitgebracht. Das Material hatte er zuvor, noch vom Wissenschaftsmuseum in Trondheim aus, bestellt. Dahle war nach knapp drei Tagen wieder zurück in Norwegen gewesen. Die ursprüngliche Überprüfung seines Alibis war vorgenommen worden, bevor die Polizei in Trondheim überhaupt von den Morden in Richmond erfahren hatte, weshalb man sich dabei nur auf das Wochenende des Mordes in der Bibliothek konzentriert hatte. Dahles Kollegen konnten nicht fassen, was geschehen war, und gaben in ihren Vernehmungen an, seinerzeit von einem Kurzurlaub ihres Kollegen ausgegangen zu sein. Gunn Britas Eltern wussten zu berichten, dass er seiner Frau gegenüber gesagt hatte, er nähme an einer Konferenz teil.
Der Plan war nicht ohne Schwachpunkte, und hätte man Jens Dahle früher akribisch unter die Lupe genommen, wären seine Lügen vermutlich aufgeflogen. So gesehen war sein Plan, die Polizei auf die Fährte eines fremden, völlig durchgeknallten Lustmörders zu lenken, absolut geglückt. Ob ein anderer Fokus seitens der Polizei Vatten das Leben hätte retten können, würden sie nie erfahren.
Der Beweis, der Dahle mit Sicherheit mit dem Mord in den USA verband, tauchte am Tag nach seinem Tod auf. Bei einer Hausdurchsuchung, bei der unter anderem eine Abschrift des Johannesbuches gefunden wurde, die Dahle angefertigt haben musste, bevor er das Buch der Gunnerusbibliothek abgeliefert hatte, fanden sie in seinem Briefkasten auch einen ungeöffneten Brief. Das Schreiben war am selben Tag in den USA aufgegeben worden, an dem Dahle von dort zurückgeflogen war. Die Handschrift auf dem Um schlag bewies eindeutig, dass er persönlich ihn geschrieben und aufgegeben hatte. Dieser Brief enthielt ein kleines Stückchen Menschenhaut, das noch nicht ganz getrocknet war. Das Ergebnis des DNA-Testes, dass diese Haut vom Opfer, Efrahim Bond, stammte, stand noch aus. Es war aber davon auszugehen, dass Dahle sich auf diese Weise ein Souvenir an den Mord in Richmond beschaffen wollte.Was Dahle mit dem Rest von Bonds Haut gemacht hatte, blieb vermutlich ein ungelöstes Rätsel. Es war aber nicht auszuschließen, dass sie irgendwo im Wald zwischen Richmond und Washington als Tierfutter diente.
Auch die Frage, warum der Mord im Poe-Museum so viel chaotischer und unorganisierter wirkte als der im Sicherheitstrakt, würden sie wohl nie beantworten können, denn der einzige Zeuge, der diese Frage hätte beantworten können, lebte nicht mehr.Vielleicht hatte er von Anfang an beabsichtigt, beide Morde so unbegreiflich wie möglich erscheinen zu lassen. Mit den übersteigerten Effekten und den irrationalen Momenten, wie dem Kopf im Mülleimer, wollte er wohl die Aufmerksamkeit von der Tatsache ablenken, dass die Morde in erster Linie ein persönliches Motiv hatten.
Der spätere Mord an Gunn Brita zeigte eine ganz andere Vorgehensweise, war in seiner Ausführung viel organisierter und hatte auf begrenztem Raum stattgefunden.Vielleicht
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