Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
aus denen vor nicht allzu langer Zeit eine halbe Hundertschaft gesprungen ist um den Park zu sichern. Eine schnelle, große Jagd, in der Hoffnung, das Böse einzufangen. Das laute, bildliche, medienwirksame Programm. Was halt so angepfiffen ist, wenn Polizisten ums Leben gekommen sind. Um den Leuten zu zeigen: Die Welt wackelt, aber eure Sicherheit wackelt nicht.
Ich werfe einen Blick in Richtung Park und sehe sie an unzähligen Stellen durch den Regen marschieren. Dunkelblaue Polizeisoldaten mit Helm und kugelsicherer Weste und Schlagstock, die wissen, dass so ein plötzlicher Tod genausogut sie hätte treffen können. Das ist der Dreck an diesem Beruf, den alle immer ganz weit wegschieben und an den keiner erinnert werden will.
Ich klaube meinen Kopf zusammen, zahle meine Rechnung und steige aus.
Sie haben die Toten mit dicken dunkelgrauen Plastikfolien abgedeckt, um sie vorm Regen zu schützen. Dass in diesen Minuten die Kälte in ihre Körper kriechen wird, kann nichts und niemand verhindern. Ich hoffe inständig, dass die beiden Kollegen nicht ganz so jung waren. Und dass keine Frau dabei war. Keine Ahnung, warum ich das jetzt hoffe, es gibt ja im Tod keine Schlimmheitshierarchie, alle, die sterben, hinterlassen bei irgendwem einen grauenvollen Schmerz. Aber das geht mir eben so durch den Kopf.
»Sie hat eine kleine Tochter«, sagt der Calabretta, es hört sich an wie ein Vorwurf. »Und er wäre in zwei Monaten pensioniert worden, nach vierzig Jahren Streifendienst.«
Der Calabretta steht ganz dicht dran an den beiden. Der alte Wachhund. Ich schäme mich für mein blödes Hoffnungsgespinst und lege ihm die Hand auf die Schulter. Seine Schulter fühlt sich an, als wäre sie aus Blei, hart und auf dem Weg nach unten. Meine Hand ist vermutlich auch nicht viel leichter. Ich nehme sie wieder weg. Ich nicke dem Schulle und dem Brückner zu. Sie stehen ein Stück weiter weg und tragen ihre Friesennerze, der Schulle einen dunkelblauen, der Brückner einen dunkelgrünen. Sie haben die Hände tief in die Manteltaschen gedrückt und machen kleine, dünne Gesichter, nass vom Regen, der ihre Sommersprossen verwischt. Sie reden mit einer älteren Dame im silbernen Regenmantel. Ein passender Schirm schützt ihre ondulierten Locken. Der Schulle macht sich Notizen. Der Inceman lehnt baumhoch an einem schwarzen Dienstfahrzeug und redet mit dem Chef unserer Spurentruppe. Er hat den Kragen seiner braunen Lederjacke hochgeschlagen, und er ist der Einzige hier, dessen Gesicht durch den Dauerregen nicht einfach nur nass wird. Es glänzt. Eine seiner schwarzen Strähnen hat sich gelöst und fällt ihm in die Stirn. Dieser Mann ist so schön, dass es mich in Stücke reißt, wenn ich ihn zu lange ankucke. Er sieht mich nicht oder er will mich nicht sehen, das ist mir nicht so richtig klar. Ich hab in den letzten Monaten immer mal wieder halbherzig versucht, herauszufinden, wie das jetzt genau ist. Schwierig, wenn man so überhaupt nicht miteinander redet. Und wenn ich doch ab und an mal einen Blick von ihm fange, dann geht der ungefähr so: Mit dir bin ich fertig. Geh weg.
Hat er ja auch recht.
»Wie ist das passiert?«, frage ich den Calabretta, und für einen kurzen Moment meine ich nicht nur die Schießerei, sondern auch das mit mir und dem Inceman, wobei ich nicht glaube, dass mein italienischer Kollege mir da großartig helfen könnte.
»Wir haben eine Zeugin«, sagt der Calabretta und bringt mich wieder in die Spur, »die stand gerade auf der alten Mole am Wasser und hat gesehen, wie der Streifenwagen kam. Die Kollegen sind raus und haben Kontakt zu einem Mann aufgenommen, der vorm Jenischpark wie wild auf und ab lief.« Er wischt sich den Regen von den Augenbrauen. »Haben Sie mal eine Zigarette?«
»Klar.« Ich fummele zwei Luckys aus meinem Kapuzenpulli und gebe eine dem Calabretta. Er gibt mir Feuer und zündet sich umständlich seine Kippe an.
»Ich dachte, Sie rauchen nicht mehr«, sage ich.
»Tu ich auch nicht«, sagt er.
»Nur am Tatort, oder was?«
Er kuckt mich ordentlich schief an.
»Sagt die, die ihren Stoff sogar in Sportklamotten mit sich rumschleppt?«
»Ich bin süchtig«, sage ich, »ich darf das.
Der Calabretta serviert mir ein verächtliches »Pffh!«, zieht die Augenbrauen noch dichter zusammen, als sie eh schon sind, und sagt:
»Der Typ eröffnete ganz plötzlich und sehr gezielt das Feuer, offensichtlich mit einer automatischen Waffe. Die beiden hatten keine Chance.«
Er zieht den Rauch tief
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