Bushido
Überleg du dir was.«
»Also gut. Ich werde deinen Vater anrufen und einen Termin ausmachen. Dann fahren wir gemeinsam nach Düsseldorf. Einverstanden?«
»Einverstanden. Nur noch eins: Behalte die Angelegenheit erst mal für dich.«
»Wie du willst, Habibi.«
Wir stiegen aus dem Auto, umarmten und küssten uns und gingen zu den Jungs ins Café. Der restliche Abend verlief natürlich ein klein wenig anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Während die anderen ihren üblichen Blödsinn machten, war ich wie in Trance. Ich saugte an meiner Wasserpfeife und versuchte, mein Gehirn so gut es ging zu betäuben. Nur nicht daran denken, lautete die Devise.
Zwei Wochen später war es dann soweit. Arafat hatte alles arrangiert. Genau, wie er es versprochen hatte. Der Plan war, am nächsten Morgen von Berlin nach Düsseldorf zu fahren, um meinen Vater zu besuchen. Mandy, eines der drei Monrose-Mädels, feierte zufälligerweise am gleichen Tag in Mannheim ihren 18. Geburtstag, zu dem wir ohnehin eingeladen waren, und da Kay ebenfalls vom Bodensee dorthin fuhr, beschlossen wir kurzfristig, alles miteinander zu verbinden. Ich saß mit Arafat und Ashraf im Café und wir redeten über den morgigen Tag. Dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Ashraf nahm mich zur Seite.
»Ich weiß zwar nicht, ob ich helfen kann«, sagte er, »aber ich will, dass du weißt, dass ich alles tun würde, was in meiner Macht steht, um dir zu helfen. Ich begleite dich und Arafat gern, wenn ihr auf meine Anwesenheit Wert legt.«
Krass.
Ashraf ist wirklich ein sehr sympathischer Typ und einer der hilfsbereitesten Menschen, die ich kenne. Obwohl wir erst seit Kurzem miteinander zu tun hatten, hielt ich bereits sehr viel von ihm. Kurzum: In besserer Gesellschaft hätte ich mich gar nicht befinden können. Außerdem kannte Ashraf auch Senna von Monrose sehr gut, also hatte er noch einen Grund mehr mitzukommen. Wir umarmten uns und damit war es beschlossene Sache. Ashraf saß mit im Boot.
Später am Abend erzählte ich es auch meinen anderen Kumpels, aber nur dem engsten Kreis. Es war schon eigenartig. Normalerweise wird im Café immer viel gelacht und wenn man sich über irgendwas unterhält, dann hauptsächlich über sinnloses Zeug, wie, wer welche Olle geklärt hat, wer wem auf die Fresse gehauen hat oder ob Jean-Claude Van Damme im Freefight gegen Rambo eine Chance hätte – solche Sachen. Ernsthafte Gespräche sind eher die Ausnahme. Als ich dann die Geschichte meines Vaters erzählte, änderte sich von einer Sekunde auf die nächste die Stimmung. Niemand redete mehr. Alle setzten sich an meinen Tisch und hörten mir gespannt zu. Meine Freunde sorgten sich um mich und machten sich Gedanken über meine Lage. Das bedeutete mir sehr viel. Spät in der Nacht, ich lag schon im Bett, schickte mir Veysel noch eine SMS: »Respekt vor deinem Vorhaben, Bruder. Du machst das Richtige. Gott wird sich das merken. Geh zu deinem Vater und küsse seine Hand. Alles wird gut.«
»Hoffentlich«, nuschelte ich vor mich hin und schlief ein.
Am nächsten Morgen war es soweit. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass wir tatsächlich auf dem Weg zu meinem Vater waren. Als mir Arafat im März vor dem Café in seinem Auto vorgeschlagen hatte, nach Düsseldorf zu fahren, kam mir das alles noch so weit weg vor. Erst jetzt auf der Autobahn wurde es mir zum ersten Mal so richtig bewusst. Je näher wir unserem Ziel kamen, desto nervöser wurde ich. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, erzählte Arafat lustige Geschichten aus seiner Vergangenheit, die mich auch tatsächlich zum Lachen brachten. Arafat ist einfach der beste Geschichtenerzähler der Welt. Wir unterhielten uns auch über seinen großen Bruder, der im Gefängnis saß und dessen Verhandlung gerade anlief. Ashraf, der auch zwei Jahre im Knast war, erinnerte mich daran, dass man niemals aufhören dürfe, an das Gute zu glauben.
»Solange du noch einen Funken Hoffnung in dir trägst, bist du nicht verloren«, sagte er. Sein Satz schallte noch Minuten später in meinem Kopf umher.
Dann las ich auf einem Autobahnschild »Düsseldorf: 20 Kilometer«. Aus den 20 wurden 10. Aus den 10 wurden 5, und auf einmal bogen wir in die Straße ein, in der mein Vater wohnte. Es war schon seltsam, ich konnte mich noch an den Parkplatz erinnern, auf dem ich damals mit D-Bo gestanden hatte.
Wir stiegen aus. Als ich auf dem Klingelschild meinen Nachnamen las, bekam ich auf einmal Panik und wollte am liebsten
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