Byrne & Balzano 3: Lunatic
benommen.«
»Seltsam?«, hakte Jessica nach. »Wieso?«
»Er stand einfach nur da«, sagte Pedersen. »Ich glaube, er hat auf den Mond gestarrt.«
7.
A ls sie zurück nach Center City fuhren, scrollte Jessica durch die Fotos auf ihrer Digitalkamera und schaute sie sich nacheinander auf dem kleinen LCD-Display an. In dieser Größe sah die junge Frau am Ufer des Flusses wie eine Puppe in einem Puppentheater aus.
Eine Puppe, dachte Jessica. Das war ihr erster Gedanke gewesen, als sie das Opfer erblickt hatte: Die junge Frau hatte ausgesehen wie eine Porzellanpuppe in einem Regal.
Jessica hatte Will Pedersen ihre Visitenkarte gegeben. Der junge Mann hatte versprochen anzurufen, falls ihm noch etwas einfiel.
»Was hat der Fahrer ausgesagt?«, fragte Jessica.
Byrne schaute auf seine Notizen. »Er heißt Reese Harris, dreiunddreißig, wohnhaft in Queen Village. Er hat gesagt, dass er die Flat Rock Road drei- bis viermal die Woche morgens anfährt, seitdem diese Eigentumswohnungen dort gebaut werden. Er parkt immer so, dass die geöffnete Seite seines Lebensmittelwagens vom Fluss weg liegt, damit der Wind nicht durch die Waren pfeift. Er hat gesagt, er hätte nichts gesehen.«
Detective Joshua Bontrager, der Neue von der Verkehrspolizei, versuchte anhand der Fahrgestellnummern herauszufinden, wem die beiden auf dem Parkplatz abgestellten Wagen gehörten.
Jessica scrollte durch ein paar weitere Fotos und hob dann den Blick zu Byrne. »Was meinst du?«
Byrne strich sich durch den Bart. »Ich meine, dass ein kranker Scheißkerl durch Philly rennt. Und dass wir dieses Schwein so schnell wie möglich einkassieren müssen.«
Kevin Byrne hatte die Sache auf den Punkt gebracht. »Ein durchgeknallter Irrer?«, fragte Jessica.
»O ja. Ein total durchgeknallter Irrer.«
»Warum hat er die Frau ans Flussufer gesetzt? Warum hat er sie nicht einfach ins Wasser geworfen?«
»Gute Frage. Vielleicht sollte die Frau auf irgendetwas schauen. Vielleicht ist es ein besonderer Platz für ihn.«
Jessica entging Byrnes bissiger Unterton nicht. Sie konnte ihn verstehen. Es gab Zeiten in ihrem Job, da hätten sie jene Soziopathen, denen gerissene Gutachter verminderte Schuldfähigkeit attestierten, damit karrieregeile Forscher sie als Untersuchungsobjekte benutzen konnten, am liebsten von der nächsten Brücke gestoßen. Schert euch zum Teufel mit euren Psychosen! Schert euch zum Teufel mit eurer verkorksten Kindheit und eurem psychischen Ungleichgewicht! Schert euch zum Teufel mit eurer perversen Mutter, die euch tote Spinnen und ranzige Mayonnaise in die Unterwäsche gesteckt hat! Wenn im Revier eines Detectives des Philadelphia Police Departments jemand getötet wurde, setzte er Himmel und Hölle in Bewegung, um den Mörder zur Strecke zu bringen.
»Hattest du früher schon mal bei einem Mordfall mit einer Amputation zu tun?«, fragte Jessica.
»Ich hab so etwas schon mal gesehen«, sagte Byrne. »Aber nicht in direktem Zusammenhang mit einem Mord. Wir werden die Datenbanken durchforsten. Mal schauen, ob wir etwas finden.«
Jessica blickte wieder auf das Display der Digitalkamera und betrachtete das Kleid der Toten. »Was hältst du von dem Kleid? Ich nehme an, der Täter hat es ihr angezogen.«
»Darüber möchte ich jetzt nicht nachdenken«, sagte Byrne. »Wirklich nicht. Nicht vor dem Mittagessen.«
Jessica wusste, was er meinte. Sie hatte auch nicht das Verlangen, sich den Kopf über Perversitäten zu zerbrechen, aber sie würden nicht umhinkommen.
Der Sitz der Delaware Investment Properties befand sich in einem freistehenden Gebäude in der Arch Street, in einer zweistöckigen Konstruktion aus Stahl und Glas mit Spiegelfenstern und einem Gebilde vor dem Eingang, das einer modernen Skulptur ähnelte. Das Unternehmen beschäftigte fünfunddreißig Mitarbeiter. Der Schwerpunkt lag im Kauf und Verkauf von Immobilien, doch in den letzten Jahren war die Sanierung von Objekten am Flussufer hinzugekommen. Im Augenblick herrschte in Philadelphia wegen des Kasinoprojekts Goldgräberstimmung; es schien, als wollte jeder mitmischen, der über eine Maklerlizenz verfügte.
Der Mann, der die Immobilie in Manayunk verwaltete, hieß David Hornstrom. Jessica und Byrne wurden in sein modernes Büro im ersten Stock geführt. An den Wänden hingen Bilder, die Hornstrom auf Berggipfeln in der ganzen Welt zeigten, Klettergerät in der Hand. In einem Bilderrahmen hing sein Betriebswirtschaftsdiplom von der Penn State University.
Hornstrom
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