BZRK Reloaded (German Edition)
ihr. »Ich frage mich doch nur, ob mit dir alles in Ordnung ist.«
»Hör mal, MoMo, ich bin müde. Bis vor dreißig Sekunden war ich der Meinung, ich hätte diesen miesen Tag hinter mir gelassen. Also wenn du was zu sagen hast, dann komm auf den Punkt.«
Sie drehte das Wasser auf und schob die Glastür der Dusche zu. Es würde eine halbe Minute dauern, bis heißes Wasser kam.
»Na schön«, sagte er und klang plötzlich sehr ernst. »Es sind eine ganze Reihe von Kleinigkeiten. Du hast neuerdings einen nervösen Tick im Auge.«
»Das liegt an den Pollen – die waren schlimm.«
»Du sagst MoMo zu mir. So hast du mich nie genannt. Wenn andere Leute das sagen, ist mir das egal, aber du hast den Namen nie benutzt.«
Sie zögerte. »Okay.«
»Du hast rohe Tomaten gegessen.«
»Was?«
»Du hast rohe Tomaten gegessen, die du eigentlich verabscheust. Du hast in der Kabinettssitzung das F-Wort fallen lassen, was du sonst nie tust. Seit ein paar Tagen sehe ich, wie du vor dem Spiegel stehst und dich ausdruckslos anstarrst. Vorgestern hast du den Fotografen angeschnauzt. Wann hast du das jemals gemacht?«
»Ich weiß nicht, ob du es gemerkt hast, aber ich stehe zur Zeit etwas unter Druck«, erwiderte sie mit vor Sarkasmus triefender Stimme.
»Du hast unter Druck gestanden, seit ich dich kenne, Helen. Trotzdem schnauzt du nicht die Leute an, die für dich arbeiten, jedenfalls nicht, wenn sie sich nicht verteidigen können. Es ist nur …« Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich frage mich einfach, ob wir nicht ein paar Tage nach Camp David fahren sollten.«
»Das geht nicht«, sagte sie frostig. »Ich bin eben nicht die First Lady, sondern die gottverdammte Präsidentin. Ich muss tatsächlich arbeiten.«
Der Seitenhieb traf ihn wie eine Messerklinge zwischen die Rippen. Er war so schockiert, dass er laut schluckte. »Siehst du? Normalerweise sagst du so etwas nicht«, brachte er schließlich heraus.
Sie blinzelte.
»Entschuldige, Mo… Liebling. Ich bin …« Sie rang sich ein hilfloses Lächeln ab. »Ja, vielleicht brauche ich eine kleine Auszeit.«
»Vielleicht auch etwas mehr als das. Das Zucken, all die Kleinigkeiten, mehr als mir im Moment einfallen … Vielleicht solltest du den Arzt vom Weißen Haus zurate ziehen. Damit er dich einfach mal durchcheckt. Du weißt schon … Das könnte … Ich weiß nicht.«
Die Präsidentin nickte nüchtern. »Okay. Jetzt dusche ich erst mal. Möchtest du mitduschen?«
»Du weißt, dass ich lieber bade«, gab er zurück und klang dabei tadelnd und nachsichtig zugleich.
Sie legte die Arme um ihn. »Aber ich fühle mich in dieser großen Dusche so einsam.«
Als sie unter der Brause standen, ging sie die Möglichkeiten durch, die ihr offenstanden.
MoMo würde nicht lockerlassen. Wenn er eines war, dann hartnäckig. Er liebte sie und würde weiterbohren. Und bohren.
Mit ihr stimmte etwas nicht – das war das Schreckliche daran. Sie hatte es gespürt. Sie wusste, dass es so war. Etwas stimmte nicht.
Aber es blieb nur noch ein Jahr bis zur Wahl. Es war nicht der richtige Moment, um Schwäche zu zeigen. Es war nicht der Moment, um sich von Ärzten einen Tumor, einen Schlaganfall oder auch nur zu viel Stress attestieren zu lassen.
Aber was sollte sie tun? Wie konnte sie verhindern, dass sie durch MoMos Liebe geradewegs aus dem Weißen Haus flog?
Später würde sie sich an diese Frage erinnern.
Später würde sie rätseln, wie sie zu der schrecklichen Antwort gelangt war.
Doch in diesem Moment sah sie lediglich, dass es mit einem einzigen raschen Schlag gehen musste. Sie hatte keine zweite Chance.
Sie drückte sich an ihren Mann heran. Sie küsste ihn und fuhr ihm mit den Fingern durch die nassen Haare. Dann hielt sie seinen Kopf auf beiden Seiten fest, und mit aller Kraft, die ihr zu Gebote stand, schlug sie seinen Hinterkopf gegen die gekachelte Wand.
MoMo sackte zusammen. Das Blut schoss mit verblüffender Wucht hervor, mehr als sie erwartet hatte.
Sie ließ das Wasser weiterlaufen, stieg aus der Dusche, ging zur Badewanne und ließ heißes Wasser ein.
Es dauerte ein paar Minuten, bis genug Wasser eingelaufen war.
MoMos Ächzen kam aus der Dusche. Unartikulierte Geräusche, keine Worte. Dennoch musste sie sich beeilen.
Sie schob die Tür der Duschkabine auf, kniete sich hin, griff ihm unter die Achseln und schleppte ihn die eineinhalb Meter zur Badewanne hinüber. Bis hierher war es einfach. Er war nass und voller Seife, und der Boden war
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