Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
geschaffen und in die Welt gesetzt zu sein, um Kunden zu bedienen. Aber am Ende dieses Jahres war der ehrgeizige Parfümhändler entsetzt über die Bilanz; nach Abzug aller Kosten würde er in zwanzig Jahren kaum das bescheidene Kapital von hunderttausend Franken, das er sich als Ziel gesetzt hatte, erspart haben können. Er beschloß daher, schneller zu Vermögen zu kommen, und wollte zunächst die Fabrikation mit dem Detailgeschäft verbinden. Gegen den Rat seiner Frau mietete er einen Schuppen und etwas Terrain im Faubourg du Temple und ließ darauf mit großen Buchstaben malen: Fabrik von Cäsar Birotteau. Er mietete sich in Grasse einen Arbeiter aus, mit dem er zu gleichen Anteilen die Fabrikation von Seifen, Essenzen und Kölnischem Wasser begann. Aber die Sozietät mit diesem Arbeiter dauerte nur sechs Monate und endete mit Verlust, den er allein zu tragen hatte. Ohne sich entmutigen zu lassen, wollte Birotteau um jeden Preis zu einem Erfolge kommen, einzig deshalb, weil er nicht von seiner Frau gescholten werden wollte, der er später gestand, daß ihm in dieser Zeit der Verzweiflung der Kopf wie ein Schlot rauchte, und daß er mehrmals, wenn ihn nicht seine religiöse Überzeugung gehindert hätte, in Versuchung war, sich in die Seine zu stürzen. Niedergeschlagen über mehrere ergebnislose Versuche, ging er eines Tages langsam die Boulevards entlang nach Hause zum Essen, denn der Pariser Flaneur ist ebenso häufig ein verzweifelter wie ein müßiger Mensch. Da wurden seine Blicke unter etlichen Büchern zu sechs Sous, die in einem Korbe auf der Erde lagen, von einem staubvergilbten Titel gefesselt: »Abdeker, oder die Kunst, die Schönheit zu erhalten.« Er nahm das angeblich arabische Buch auf, eine Art Roman von einem Arzt des vorigen Jahrhunderts, und stieß auf eine Seite, wo von Parfüms die Rede war. Er durchblätterte das Buch, an einen Boulevardbaum gelehnt, und las eine Stelle, wo der Autor das Wesen der Unter- und der Oberhaut erklärt und zeigt, welche Paste oder Seife eine häufig der Erwartung entgegengesetzte Wirkung hervorbringt, wenn die Paste und die Seife die Haut zusammenziehen, die entspannt gehalten sein will, oder die Haut entspannen, die nach Zusammenziehen verlangt. Birotteau kaufte das Buch, von dem er ein Vermögen erhoffte. Da er trotzdem seiner Erleuchtung nicht traute, begab er sich zu einem berühmten Chemiker, Vauquelin, von dem er ganz naiv das Rezept erbat, um ein Kosmetikum mit zwiefacher Wirkung, das den verschiedenen Spielarten der menschlichen Epidermis Rechnung trug, herzustellen. Die wahren Gelehrten, die Männer, die wirklich groß sind in dem Sinne, daß ihnen bei Lebzeiten der Ruhm, den ihre ungekannten außergewöhnlichen Arbeiten verdient hätten, niemals zuteil wird, sind fast alle dienstwillig und freundlich gegen die geistig Armen. Vauquelin gewährte also dem Parfümhändler seine Protektion, gestattete ihm, sich Erfinder einer Paste, die die Weiße der Hände erzielt, zu nennen, und gab ihm deren Zusammensetzung an. Birotteau nannte sie Doppelpaste der Sultaninnen. Um die Sache vollkommen zu machen, wendete er das Verfahren der Paste für die Hände auf ein Wasser für den Teint an, das er Eau Carminative nannte. Bei dem weiteren Vorgehen machte er sich das Prinzip des Petit-Matelot zu eigen und entwickelte, als erster unter den Parfümhändlern, jenen Luxus von Plakaten, Annoncen und andern Reklamen, die man vielleicht mit Unrecht Charlatanerie nennt.
Die Sultaninnenpaste und das Eau Carminative wandten sich an die gesamte galante und kommerzielle Welt mit bunten Plakaten, an deren Kopf die Worte standen: »Approbiert von der Akademie der Wissenschaften!« Diese zum erstenmal gebrauchte Formel hatte eine magische Wirkung. Nicht nur Frankreich, der ganze Kontinent wurde mit gelben, roten, blauen Plakaten von dem Beherrscher der Rosenkönigin bepflastert, der alles, was hier in Frage kam, bereit hielt, lieferte und fabrizierte. Zu einer Zeit, da man von nichts als vom Orient redete, ein Schönheitsmittel Sultaninnenpaste nennen und die magische Wirkung dieser Worte in einem Lande ahnen, wo jeder Mann ebensosehr ein Sultan, wie jede Frau eine Sultanin zu sein wünscht, das war eine Eingebung, die einem gewöhnlichen wie einem geistvollen Manne zuteil werden kann; aber da das Publikum immer nach dem Erfolge urteilt, galt Birotteau um so mehr für einen, kaufmännisch gesprochen, hervorragenden Menschen, als er selbst einen Prospekt verfaßte, dessen alberner
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