Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Fortgerissen von der Heißblütigkeit der Jugend und begeistert durch die Beziehungen zu den Georges, den la Billardière, den Montauran, Bauvan, Longuy, Manda, Bernier, du Guénis und Fontaine stürzte sich Cäsar in die Verschwörung der vereinigten Royalisten und Terroristen, die am 13. Vendémiaire gegen den in den letzten Zügen liegenden Konvent zum Ausbruch gelangte.
Cäsar hatte die Ehre, gegen Napoleon auf den Stufen von Saint-Roch zu kämpfen und gleich zu Anfang des Gefechtes verwundet zu werden. Jeder kennt den Ausgang dieses Unternehmens. Wenn der Adjutant von Barras dabei aus seiner Obskurität heraustrat, so wurde Birotteau durch die seinige gerettet. Einige Freunde brachten den kriegerischen ersten Kommis in die Rosenkönigin, wo er auf dem Boden versteckt, von Frau Ragon verbunden und glücklicherweise vergessen wurde. Cäsar Birotteau hatte nur dieses eine Aufflammen militärischen Mutes gezeigt. Während des Monats, den seine Wiederherstellung dauerte, stellte er praktische Erwägungen über die lächerliche Verbindung von Politik und Parfümerie an. Wenn er auch Royalist blieb, so beschloß er doch, klar und einfach ein royalistischer Parfümhändler zu sein, ohne sich jemals wieder zu kompromittieren, und sich dem mit Leib und Seele hinzugeben.
Am 18. Brumaire beschlossen Herr und Frau Ragon, die an dem Erfolge der Königspartei verzweifelten, das Geschäft aufzugeben und als ruhige Bourgeois zu leben, ohne sich weiter um die Politik zu kümmern. Um den Preis für ihr Geschäft zu erhalten, mußten sie einen Menschen finden, der mehr Ehrlichkeit als Ehrgeiz besaß, mehr einfachen gesunden Verstand als Begabung. Ragon bot daher seinem ersten Kommis den Kauf an. Birotteau, der mit zwanzig Jahren bereits tausend Franken Rente aus Staatspapieren besaß, zögerte mit der Zusage. Sein Ehrgeiz beschränkte sich darauf, sich bei Chinon niederlassen zu können, wenn er fünfzehnhundert Franken Rente besitzen und der erste Konsul die Staatsschuld konsolidiert haben würde, indem er sich selbst in den Tuilerien konsolidierte. Weshalb sollte er eine anständige bescheidene Unabhängigkeit den Chancen des Handelslebens opfern? Niemals hatte er geglaubt, daß er ein so beträchtliches Vermögen erwerben würde, das er ja auch nur Glücksfällen verdankte, denen man sich allein in der Jugend überliefert; er gedachte also in der Touraine ein Mädchen zu heiraten, das ebenso reich wäre wie er, um dann Les Trésorières kaufen und bebauen zu können, ein kleines Gut, wonach er, seitdem er erwachsen war, sich gesehnt hatte, das er zu vergrößern hoffte, woraus er ein Einkommen von tausend Talern zu erzielen gedachte und wo er in der Verborgenheit ein glückliches Leben führen wollte. Schon wollte er ablehnen, als die Liebe plötzlich alle seine Pläne über den Haufen warf und seine ehrgeizigen Ansprüche verzehnfachte.
Seitdem ihn Ursula verlassen hatte, war Cäsar keusch geblieben, ebensosehr aus Angst vor den Gefahren, die einem in Paris in Liebesangelegenheiten drohen, als infolge seiner Arbeit. Wenn aber die Liebessehnsucht ohne Erfüllung bleibt, verwandelt sie sich in ein zwingendes Bedürfnis; dann wird das Heiraten für die Leute aus dem Mittelstande zu einer fixen Idee, denn nur auf diesem Wege können sie ein Weib erobern und sich zu eigen machen. In diesem Zustande befand sich Cäsar Birotteau. In dem Geschäft der Rosenkönigin lastete alles auf dem ersten Kommis; er hatte keinen Augenblick für Vergnügungen übrig. Bei einem solchen Leben werden jene Bedürfnisse um so dringender, und die Begegnung mit einem hübschen Mädchen, an die ein liederlicher Kommis kaum weiter gedacht hätte, mußte auf den keuschen Cäsar den größten Eindruck machen. Als er an einem schönen Junitage über die Marienbrücke nach der Insel Saint-Louis kam, erblickte er ein junges Mädchen, das vor der Tür eines Ladens an einer Ecke des Quai d'Anjou stand. Konstanze Pillerault war die erste Verkäuferin in einem Modewarengeschäft, der Petit-Matelot genannt, dem ersten dieser Art Geschäfte, die seitdem in Paris mit mehr oder weniger bemalten Schildern, flatternden Wimpeln, Schaufenstern voll von hängenden Schals, Krawatten, die auf Kartenhäusern arrangiert waren, und tausend andern verführerischen Waren, mit festen Preisen, Täfelchen, Anzeigen, optischen Täuschungen und Effekten eine solche Vollkommenheit erreicht haben, daß diese Schaufenster zu wahren kaufmännischen Gedichten geworden sind. Der niedrige
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