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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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geführt, von den bei ihm hinterlegten Fonds seiner Klienten einen Betrag zu entnehmen, der schon mehr als die Hälfte des Wertes seines Notariats betrug. Wenn der Rest auch noch verschlungen sein würde, dann müsse er, der unglückliche Roguin, sich erschießen, denn so meinte er den Abscheu über einen solchen Bankerott durch das dadurch erregte öffentliche Mitleid mildern zu können. Hierbei sah du Tillet, wie einen Strahl in der Nacht der Trunkenheit, die Möglichkeit aufblitzen, rasch zu einem Vermögen zu kommen; er beruhigte Roguin und erwiderte dessen vertrauliches Bekenntnis mit dem Rat, sich das Erschießen zu ersparen. – »Wenn ein Mann von Ihren Fähigkeiten soweit gekommen ist, dann darf er sich nicht töricht und unsicher herumtappend benehmen, sondern er muß mit Kühnheit vorgehen«, sagte er zu ihm; er riet ihm, sofort noch einen erheblichen Betrag zu entnehmen und ihn ihm anzuvertrauen, um damit irgendein gewagtes Geschäft zu unternehmen, sei es an der Börse, oder bei irgendeiner andern Spekulation und den tausend Möglichkeiten, die sich damals boten. Hätten sie Glück damit, so wollten sie beide ein Bankhaus gründen, das aus den Depots Nutzen ziehen könnte, und dessen Überschüsse ihm zur Befriedigung seiner Leidenschaft dienen würden. Hätten sie aber Pech, dann sollte Roguin ins Ausland fliehen, anstatt sich zu erschießen; »sein« du Tillet würde bis zum letzten Sou treu zu ihm halten. Das war ein Rettungsseil für einen Mann, der am Ertrinken ist, und Roguin merkte nicht, daß der Parfümeriekommis ihm dieses Seil um den Hals schlang.

Im Besitze von Roguins Geheimnis benutzte es du Tillet, um seine Herrschaft über die Frau, die Mätresse und den Ehemann gleichzeitig auszuüben. Über das Unheil, das sie nicht im entferntesten ahnte, unterrichtet, ließ sich Frau Roguin du Tillets Bewerbung gern gefallen, der nun aus der Parfümhandlung austrat, da er seines Erfolges sicher war. Es wurde ihm nicht schwer, die Mätresse zu bestimmen, eine Summe zu riskieren, damit sie später einmal, wenn sie Unglück hätte, nicht wieder in die Prostitution hinabzusinken brauchte. Frau Roguin ordnete ihre Geschäfte, brachte schnell ein kleines Kapital zusammen und übergab es dem Manne, in den ja auch ihr Ehemann sein Vertrauen setzte; denn der Notar hatte seinem Komplizen gleich hunderttausend Franken zugestellt. Indem er nun Frau Roguin so nahe rückte, daß er das geschäftliche Interesse der schönen Frau in Zuneigung umzuwandeln vermochte, verstand du Tillet es, ihr eine heftige Leidenschaft einzuflößen. Seine drei Kommanditäre gestanden ihm natürlich einen Anteil zu; aber damit nicht zufrieden, besaß er die Frechheit, bei den Börsenspekulationen, die er für sie machte, sich mit einem Gegenspieler zu verständigen, der ihm den Betrag eventueller Verluste ersetzte, denn er spekulierte sowohl für seine Klienten wie für sich selber. Sobald er fünfzigtausend Franken besaß, war er fest überzeugt, daß er ein großes Vermögen erwerben würde; mit dem ihm eigenen Raubvogelblick beobachtete er die damaligen politischen Phasen; er spekulierte als Baissier während des französischen Feldzuges und ging in die Hausse, als die Bourbonen zurückkehrten. Zwei Monate nach der Rückkehr Ludwigs XVIII. besaß Frau Roguin ein Vermögen von zweihunderttausend Franken und du Tillet hunderttausend Taler. Der Notar, dem dieser junge Mann als Rettungsengel erschien, hatte seine Geldverhältnisse wieder ins Gleichgewicht gebracht. Aber die schöne Holländerin machte alles wieder zunichte; sie ward die Beute eines abscheulichen fressenden Geschwürs, eines ehemaligen Pagen des Kaisers, namens Maxime de Trailles. Den richtigen Mädchennamen dieser Frau erfuhr du Tillet, als er einmal einen Notariatsakt für sie aufnahm. Sie hieß Sarah Gobseck. Überrascht, daß dieser Name mit dem eines Wucherers, von dem er hatte reden hören, übereinstimmte, begab er sich zu dem alten Wechselschieber, der Vorsehung der Familiensöhne, um festzustellen, welchen Kredit seine Verwandte bei ihm besäße. Dieser Brutus der Wucherer zeigte sich zwar seiner Nichte gegenüber unversöhnlich, aber du Tillet verstand es, sein Gefallen zu erregen, indem er sich als Sarahs Bankier ausgab, der für sie Gelder nutzbringend anlegen wolle. Die Charaktere des Normannen und des Wucherers paßten zueinander. Gobseck brauchte damals gerade einen gewandten jungen Menschen, der eine kleine Geldoperation im Auslande für ihn überwachen

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