Gehoere ich halt nicht dazu
Gehöre ich halt nicht dazu
Es beginnt mit meinen Problemen. Ich habe zu viele: Ich gla u be nicht an ein Leben nach dem Tod, ich glaube nicht an ein Leben vor dem Tod. Ich zweifle an allem. Vor allem an mir. Ich bin 36 Jahre alt. Ein Alter, das man gerne als „mitten im Leben stehend“ bezeichnet. Von wegen stehend. Ich, ich taumle am Lebensrand herum. Und das schon seit Jahren.
Peter Alexander würde singen: „Ich zähle täglich meine So r gen, denn ich sorg mich sehr.“ Ich hasse dieses Lied, diese aufgesetzte Fröhlic h keit.
Ich bin in Wien daheim. In der lebenswertesten Stadt der Welt, wie sie immer wieder sagen. Ich kann den Wert nicht spüren. Ich kann das Leben nicht spüren.
Wie ich heiße, ist egal. Oder wird es spannender, wenn mein Name sagen wir Felix ist? Oder André oder Me h met oder Thomas? Es ist doch egal.
Wichtig ist: Ich hielt es nicht mehr aus, ich halte es nicht mehr aus.
Die blöden und hässlichen Gesichter. Das dumme G e schwätz. Die billige Musik. Peter Alexander. Casting-Shows. Der ganze lustige Spaß. Die Nachrichten. Die Welt. Ich schrie den Fernseher an. We r bung. Ich gab dem Bildschirm einen Tritt. Mein Fuß tat weh. Ankündigung: Am Abend eine Arztserie, keine s falls versäumen. Shit. Ich schätzte das TV-Gerät auf 15 Kilo. Röhre statt Flat. Ich öffnete das Fenster und warf den Bildschirm hinunter in den Innenhof. Es klirrte. Ein befreiendes G e räusch. Ich konnte für einen kurzen Moment so richtig frei durchatmen. Wie früher. Als es mich noch interessierte, das Leben. Damals habe ich von verschiedenen Karrieren g e träumt: Ich als Kabarettist, Sänger, Spion oder als Geschäft s mann. Doch je älter ich wurde, desto weniger konnte ich mich begeistern, nichts schien für mich passend. Für einen Kab a rettisten war ich zu wenig lustig. Für einen Sänger fehlten mir die Lieder. Für einen Spion fehlte mir der Mut. D a rum hab e ich es einfach sein lassen.
Nachdem ich den Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte, stellte ich mich vor den Spiegel. Ich wollte lächeln, aber ich sah nur ein eigentümliches Grinsen. Das Gesicht im Spiegel interessiert sich nicht für mich. Es interessiert sich für nichts. Früher dachte ich, es wird alles immer größer, schöner, bunter und mehr. Das stimmt auch im Wesentlichen. Aber es bereitet mir keine Freude mehr. Ei n fach so. Ich mag das Leben nicht mehr, das Leben mag mich nicht mehr. Natürlich, es gäbe viele Gründe, glücklich zu sein. Aber noch mehr, um es nicht zu sein, finde ich. Aus. Alles vertrottelt, alles nicht zum Ausha l ten. Ich bin Rationalist. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Oder hatte ich überhaupt jemals Kraft? Ich zwei f le.
Ich muss mich niederlegen. Ich schlafe immer so schlecht, bin den ganzen Tag müde. Ich bin zu e r schöpft vom Leben um zu leben. Bin wie ein Frosch in einem Marmeladensee. Wie eine Fliege in der Dusche.
Ich hasse meine dummen Gedanken.
Was ich mit meiner Zeit so mache, jetzt wo ich kein Sä n ger, Kabarettist, Spion oder Geschäftsmann wurde? Um ehrlich zu sein: Nichts.
Wie ich mich finanziere? Mittels Bankomat. Ich lebe von den Zinsen, solange ich pro Woche nicht mehr als 700 Euro au s gebe. Das geht sich aus. In der Bank sind sie immer recht freundlich zu mir. Mir ist das zuwider. Würde ich meine Konten überziehen, bekäme ich nicht mehr bei jedem Besuch s o fort einen Kaffee angeboten.
Wie ich den Tag umbringe? Eh klassisch . Viel vor dem Not e book sitzen, viel denken. Aber statt des Tages möchte ich lieber mich umbri n gen.
Am Computer erwecke ich Figuren zum Leben und ze r störe sie. In meinen Geschichten gibt es große Helden, die ich rasch klein mache. Und wenn ein anderes Leben beendet wird, bin auch ich wieder ein bisschen gesto r ben. Aber eben nur ein bisschen. Und das ist mir jetzt schön langsam zu wenig.
Gibt es einen Grund? Vielleicht. Es ist kein richtiger Grund, aber es zieht mich runter. Gestern ist meine Boa gestorben. Sie hatte keinen Namen. Sie war einfach mein Tier. Ich habe den toten Schlangenkörper vorsic h tig in eine Bananen-Schachtel gelegt und dann das ganze in den Altpapier-Container geworfen. Entfernte Bekannte sagen, meine Schlange hätte mich davon abgehalten, Beziehungen mit Menschen zu führen. Wofür brauche ich Beziehungen? Dumme Weisheiten von Leuten, die einfach keine Ahnung haben. Nicht von Schlangen, nicht von Menschen und nicht vom Leben. Unerträgliches, saublödes Blabla. Am Ende brauche ich
Weitere Kostenlose Bücher