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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Sie Herrn Popinot nicht auch noch mal brauchen werden. Donnerwetter, den müssen wir mit der größten Ehrerbietung begrüßen.«
    Es war in der Tat der edle Richter, der bei der Portierfrau nach seinem Neffen fragte. Als er seine Stimme erkannte, ging Anselm die Treppe hinab mit einer Kerze in der Hand, um ihm zu leuchten.
    »Ich begrüße Sie, meine Herren«, sagte der Beamte. Der berühmte Gaudissart verneigte sich tief. Finot betrachtete den Richter mit seinen benebelten Augen und fand ihn ziemlich zopfig.
    »Luxuriös sieht es hier nicht aus«, sagte der Richter ernst, während er das Zimmer besah; »aber wenn man etwas Großes werden will, mein Kind, muß man es verstehen, ganz klein anzufangen.«
    »Was für ein tiefer Geist!« sagte Gaudissart zu Finot.
    »Man könnte einen Artikel darüber schreiben«, sagte der Journalist.
    »Ach, da sind Sie ja auch, Herr Gaudissart«, sagte der Richter, der den Reisenden erkannte. »Was tun Sie denn hier?«
    »Verehrter Herr, ich beabsichtige, all meine schwachen Kräfte dem Glück Ihres teuren Neffen zu widmen. Wir haben eben den Prospekt für sein Öl geprüft, und in diesem Herrn hier sehen Sie den Verfasser des Prospekts, den wir für eins der schönsten Erzeugnisse der Perücken-Literatur halten.« Der Richter betrachtete Finot.
    »Dieser Herr,« sagte Gaudissart, »ist Herr Andoche Finot, einer der ausgezeichnetsten jungen Literaten, der in den Regierungsblättern die politischen Artikel und die Theaterkritiken schreibt, sozusagen ein Minister auf dem Wege zum Schriftsteller.«
    Finot zog Gaudissart am Rockschoße.
    »Schön, Kinder«, sagte der Richter, der sich nach diesen Worten den Anblick des Tisches, auf dem die Reste eines unter solchen Umständen begreiflichen Festessens standen, erklären konnte. – »Jetzt, mein Lieber,« sagte er zu Popinot, »mußt du dich aber umkleiden, wir wollen heute abend noch zu Herrn Birotteau gehen, dem ich einen Besuch schuldig bin. Du sollst dort auch euren Sozietätsvertrag, den ich sorgfältig geprüft habe, unterzeichnen. Da ihr die Herstellung eures Öls in der Fabrik am Faubourg du Temple betreibt, so meine ich, daß er mit dir auch einen Mietvertrag abschließen muß; es kann mal ein anderer an seine Stelle treten, und wenn man seine Sachen in gehöriger Ordnung hat, vermeidet man Streitigkeiten. Die Mauer hier scheint feucht zu sein, Anselm; du solltest hinter deinem Bett Strohmatten anbringen.« »Gestatten Sie mir, zu bemerken, Herr Untersuchungsrichter,« sagte Gaudissart mit dem Wortschwall eines vollendeten Hofmanns, »daß wir selbst die Tapete erst heute angeklebt haben, und sie . . . ist noch nicht . . . trocken.«

»Sehr schön, das nenne ich sparsam sein!« sagte der Richter.
    »Hör mal,« sagte Gaudissart leise zu Finot, »mein Freund Popinot ist ein tugendhafter junger Mann, er geht zu seinem Onkel, wollen wir nicht den Abend bei unseren Kusinen verbringen . . .?«
    Der Journalist zeigte auf das leere Futter seiner Westentasche. Popinot, der das bemerkte, steckte dem Autor seines Prospekts ein Zwanzigfrankenstück hinein. Der Richter hatte am Ende der Straße den Wagen warten lassen und nahm seinen Neffen mit zu Birotteau. Hier spielten Pillerault, Herr und Frau Ragon und Roguin ihren Boston, während Cäsarine an einem Fichu stickte, als der Richter Popinot und Anselm erschienen. Roguin, der seinen Platz gegenüber von Frau Ragon hatte, neben der Cäsarine saß, bemerkte, welche Freude das junge Mädchen bezeigte, als sie Anselm hereintreten sah, und wies seinen ersten Schreiber mit einem Wink auf sie hin, die rot wie ein Granatapfel geworden war.
    »Heute soll also durchaus ein Tag der Verträge sein«, sagte nach den Begrüßungen der Parfümhändler, dem der Richter den Grund seines Besuchs mitgeteilt hatte.
    Cäsar, Anselm und der Richter gingen nun in den zweiten Stock hinauf, wo der Parfümhändler sich provisorisch ein Zimmer eingerichtet hatte, um den Miet- und den Sozietätsvertrag zu besprechen. Der Mietvertrag wurde auf achtzehn Jahre abgeschlossen, damit er gleich lange mit dem in der Rue des Cinq-Diamants lief, ein scheinbar unbedeutender Umstand, der aber später von Wichtigkeit für Birotteaus Interessen werden sollte. Als Cäsar und der Richter in das Zwischengeschoß zurückgekehrt waren, erkundigte sich der Beamte, der über das allgemeine Durcheinander und die am Sonntag arbeitenden Handwerker bei einem so frommen Manne, wie dem Parfümhändler, erstaunt war, nach dem Grunde hierfür,

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