Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
eine Frage, auf die Birotteau schon wartete.
»Obwohl Sie kein Gesellschaftsmensch sind, verehrter Herr, werden Sie es doch nicht übel angebracht finden, wenn wir die Befreiung des Vaterlandes feiern. Aber das ist noch nicht alles. Wenn ich einige Freunde zu mir bitte, so geschieht das, um meine Aufnahme in den Orden der Ehrenlegion festlich zu begehen.«
»Ah«, sagte der Richter, der den Orden nicht erhalten hatte.
»Vielleicht habe ich mich dieser Auszeichnung und allerhöchsten Gnade würdig erwiesen als Mitglied des Gerichtshofs... oh; des Handelsgerichts, und als Kämpfer für die Sache der Bourbonen, auf den Stufen...«
»Jawohl«, sagte der Richter.
»Vor Saint-Roch, am 13. Vendémiaire, wo ich von Napoleon verwundet wurde.«
»Ich werde gern erscheinen,« sagte der Richter, »und mit meiner Frau, falls sie nicht leidend sein sollte.«
»Xandrot,« sagte Roguin auf der Türschwelle zu seinem Schreiber, »schlage es dir aus dem Kopf, Cäsarine heiraten zu wollen; in sechs Wochen wirst du sehen, daß ich dir damit einen guten Rat gegeben habe.«
»Warum?« fragte Crottat.
»Birotteau, mein Lieber, wird für seinen Ball hunderttausend Franken ausgeben, sein Vermögen legt er, trotz meines Abratens, in diesem Terraingeschäft fest. In sechs Wochen werden die Leute nichts mehr zu essen haben. Heirate Fräulein Lourdois, die Tochter des Stubenmalers, sie bekommt dreihunderttausend Franken mit, ich habe dir das für alle Fälle in Reserve gehalten! Wenn du mir nur hunderttausend Franken für mein Notariat bezahlen willst, kannst du es morgen haben.«
Die Prachtentfaltung des Balles, den der Parfümhändler geben wollte und von der in den europäischen Zeitungen die Rede war, wurde, aus Anlaß des Lärms, den die Tag und Nacht fortgesetzten Umbauten verursachten, in der Handelswelt sehr anders besprochen. Hier erzählte man sich an einer Stelle, Cäsar habe drei Häuser gemietet, an einer anderen, er ließe seine Salons vergolden, an einer entfernteren, bei dem Essen würden Gerichte aufgetischt werden, die eigens für diesen Zweck erfunden seien; wieder wo anders wurde der Ehrgeiz des Parfümhändlers bitter getadelt, man spottete über seine politischen Prätentionen, man leugnete sogar, daß er verwundet worden war! Der Ball hatte mehr als eine Intrige im zweiten Bezirk zur Folge; die Freunde hielten sich still, aber die Wünsche bloßer Bekanntschaften wuchsen ins Ungemessene. Jedes Glück schafft eine Schar Schmeichler. Es gab eine Menge Menschen, die sich eine Einladung mehr als einen Gang kosten ließen. Die Birotteaus erschraken über die Menge von »Freunden«, die sie gar nicht kannten. Besonders setzte dieser Andrang Frau Birotteau in Schrecken, ihre Stimmung wurde beim Herannahen des Festes von Tag zu Tag trüber. Sie gestand Cäsar, daß sie nicht wisse, wie sie sich benehmen solle, sie war entsetzt über die Unzahl von Details, die für ein solches Fest vorzubereiten waren; wo sollte man das Silberzeug, das Glaszeug, die Erfrischungen, das Tafelgeschirr, die Bedienung hernehmen? Und wer sollte das alles überwachen? Sie bat Birotteau, er solle sich an die Eingangstür stellen und nur die wirklich Eingeladenen hereinlassen, denn sie hatte merkwürdige Dinge über Leute gehört, die zu solchen Bällen der Bourgeoisie gekommen waren und sich auf Freunde beriefen, die sie dann nicht nennen konnten.
Als zehn Tage vorher Braschon, Grindot, Lourdois und Chaffaroux, der Bauunternehmer, erklärt hatten, daß die Wohnung an dem vielgenannten Sonntage, dem 17. Dezember, fertig sein würde, fand abends, nach dem Essen, in dem bescheidenen kleinen Salon des Zwischengeschosses, eine komische Konferenz zwischen Cäsar, seiner Frau und seiner Tochter statt, um die Liste der Eingeladenen aufzustellen und die Einladungen zu schreiben, die ihnen am Morgen der Drucker auf schönem englischen rosa Karton zugeschickt hatte, und die in dem vorgeschriebenen kindischen Stil dieser ehrbaren Gesellschaft abgefaßt waren.
»Daß wir nur niemanden vergessen!« sagte Birotteau.
»Wenn wir auch jemanden vergessen«, sagte Konstanze, »er selbst wird sich schon nicht vergessen. Frau Derville, die uns bisher niemals besucht hat, ist gestern abend vier Mann hoch angetreten.«
»Sie ist sehr hübsch,« sagte Cäsarine, »sie hat mir gut gefallen.«
»Vor ihrer Heirat war sie aber noch weniger als ich,« sagte Konstanze, »sie war Wäschenäherin in der Rue Montmartre und hat Hemden für deinen Vater gemacht.«
»Also
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