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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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Wind und dieser Fels gehörten zu der Welt, der man mich vor vielen Monaten entrissen hatte!

    Sie hatten bereits eine Zeitlang miteinander gesprochen. Ich weiß nicht mehr, ob ich durch Haasts erstauntes »Was?!« aufgeschreckt wurde oder durch die beißende Kälte oder durch die plötzlich wieder in mir aufsteigende Angst.
    »Sie werden ihn töten!« sagte Skilliman unbewegt. »Deutlicher kann ich es wohl kaum ausdrücken.«
    »Ich soll ihn töten?«
    »Jawohl. Beim Fluchtversuch. Sie sehen doch, daß er uns den Rücken wendet. Er hat seine Decken bei der Flucht verloren. Sie sind also gezwungen, zu schießen. Die altbekannte Situation, geradezu klassisch!«
    Haast schien noch immer zu zaudern.
    »Töten Sie ihn! Sie müssen es tun! Ich habe Ihnen erklärt, wozu seine weitere Anwesenheit im Lager Archimedes führen wird. Seine Intelligenz nimmt ständig zu, und bald wird es ihm gelingen, uns so raffiniert in seine Pläne einzubeziehen, daß wir selbst es nicht mehr merken. Ich habe Ihnen erzählt, wovon er heute mit den andern gesprochen hat. Von Flucht! Er hat gesagt, daß sie unter unseren Augen einen Plan aushecken müßten! Sind Sie sich bewußt, welche Verachtung er für uns empfindet? Und wie er uns haßt?«
    Ich konnte mir vorstellen, wie Haast hilflos den Kopf schüttelte. »Aber ich kann ihn nicht ... ich kann ihn nicht ...«
    »Sie müssen! Hören Sie, Sie müssen ! Wenn Sie es nicht selbst tun wollen, dann muß es ein Wärter tun. Fragen Sie, ob einer freiwillig dazu bereit ist! Einer wird sich bestimmt melden.«
    Emsig machte seinem Namen Ehre. Er fragte sofort: »Soll ich das übernehmen, Sir?«
    »Nein, das sollen Sie nicht!« sagte Haast mit erstaunlich fester Stimme. Dann wandte er sich, wieder in gedämpfterem Ton, an Skilliman: »Ich kann doch einem Wärter nicht erlauben, ihn ...«
    »Dann ziehen Sie Ihre Pistole, Sir! Wenn Sie’s nicht sofort tun, werden Sie sich immer fragen müssen, ob Sie ihm nicht bereits ins Netz gegangen sind. Sie haben dieses Frankensteinsche Ungeheuer geschaffen, und Sie müssen es vernichten!«
    »Ich kann es nicht selbst tun. Ich kenne ihn seit ... seit vielen Monaten, und kann ihn nicht ... Vielleicht Sie selbst? Könnten Sie es tun? Wenn Sie eine Waffe hätten?«
    »Her damit! Die Antwort können Sie sofort haben!«
    »Wärter, geben Sie Dr. Skilliman Ihre Pistole!«
    Während des langen Schweigens, das diesen Worten folgte, stand ich auf und ließ mir den rauhen Wind ins Gesicht blasen.
    »Also, Sacchetti, wie hätten wir’s denn? Wollen Sie uns zum Schluß nicht noch etwas sagen? Wie wär’s mit einem Gedicht, als Hinterlassenschaft? Oder mit einer letzten Unverschämtheit?« Seine Worte klangen seltsam bemüht. Er schien sich seiner Sache doch nicht ganz sicher zu sein.
    »Ja, etwas möchte ich noch sagen. Ich möchte Ihnen danken. Es war so schön, wieder hier heraufzukommen. So unbeschreiblich schön. Der Wind. Und ... bitte sagen Sie mir, ist es Nacht ... oder Tag?«
    Schweigen. Dann ein Schuß. Und noch einer. Und noch einer. Sieben im ganzen. Nach jedem empfand ich ein immer überwältigenderes Glücksgefühl!
    »Ich lebe «, dachte ich, »ich lebe!«
    Nach dem siebenten Schuß war es lange still. Dann sagte Haast: »Es ist Nacht.«
    »Warum hat Skilliman ...?«
    »Er hat ... auf die Sterne geschossen.«
    »Auf die Sterne? Meinen Sie das wörtlich?«
    »Ja. Er scheint auf den Orion gezielt zu haben.«
    »Ich verstehe das alles nicht.«
    »Im entscheidenden Moment haben Sie ihm als Zielscheibe für seinen maßlosen Haß nicht mehr genügt, Louis.«
    »Und der letzte Schuß? Hat er ... Selbstmord begangen?«
    »Vielleicht wollte er’s, aber dann hat ihm der Mut dazu gefehlt. Ich habe den letzten Schuß abgefeuert.«
    »Ich verstehe noch immer nicht.«
    Mit verschnupfter Baritonstimme begann Haast zu summen: »Ich bau’ eine Treppe ins Paradies.«
    »Haast«, sagte ich, »sind Sie ...«
    »Mordecai Washington«, sagte er. Er legte mir zwei Decken über die Schultern. Ich begann nachzudenken.
    »Ich glaube, wir sollten jetzt wieder hinunterfahren.«

    95.
    Enthüllungen:
    Haast/Mordecai führte mich in den Raum, der gleich neben dem Theatersaal lag und in dem man, als ich meine Aktualitätensammlung einrichtete, die Magnum-Opus-Apparate gebracht hatte. Die Wärter waren mehr mit Emsig beschäftigt als mit mir. Emsig protestierte laut gegen die rauhe Behandlung.
    Die Apparate waren so aufgestellt wie an dem Abend, als das geschehen war, was ich für ein

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